Ich stehe vor der Tür. Atlanta International Airport.
Meine Gedanken sind aber ganz woanders. Zwei Tage davor nämlich. Irgendwo in den USA. Ich warte auf einen Termin. Dann eine Meldung am Telefon: Eine Klausurschwester eines kontemplativen Ordens. Einige Tage davor hatte ich sie um Gebet gebeten. Für diese Spendenreise. „Es ist mir heute im Gebet gekommen“, lese ich in ihrer Nachricht. „Ich könnte ja euch das Geld zukommen lassen.“ Ich bin etwas verdutzt, als ich beginne, die Anzahl der Nullen nach dem Einser zu zählen. „Ich kann es morgen überweisen.“ Wie bitte?
Eine Klausurschwester?
Nonnen haben kein Geld.
Kontemplative Klausurschwestern schon gar nicht. Sie haben einen exzellenten Draht zum Himmel. Aber leere Hosentaschen. Es ist wie einen Bettler um eine Spende zu bitten. Aus einer völlig unerwarteten Ecke kommt wieder einmal die Bestätigung. Als würde der Herr uns sagen wollen: „Das ist mein Projekt, chillax.“ Diese gesamte Reise ist erneut eine Schule des Vertrauens. Ein spontanes Gebet der Dankbarkeit kommt in mir hoch. Dankbarkeit, aber auch Anerkennung für seine himmlische Regie: Du gibst uns immer rechtzeitig genau das, was wir brauchen, um den nächsten Schritt zu gehen. Aber nicht genügend für die nächsten fünf, nicht einmal für die nächsten zwei Monate. Aber immerhin für einen nächsten Schritt: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ „Father.“ Ich werde aus meinen Gedanken gerissen.
Noch mal aus dem Gedränge: „Excuse me, Father.“ Alle wollen in den Zug. Endlich verbinde ich Stimme mit Gesicht: „Do you have time for a confession? (Zeit für eine Beichte?)“
Dem Typen will ich nicht in einer Seitenstraße um 1 Uhr in der Früh begegnen. Vielleicht 28 Jahre alt. Gut gebaut. Sieht aus, als wäre Krafttraining Teil seiner Routine. Er lächelt mich an. „Ich bin auf dem Weg zu einem Einsatz. Ich wollte davor beichten.“ Navy Seal? Wohin geht es? „Das darf ich nicht sagen.“ Aha, sorry. Wir stellen uns abseits des Gedränges.
Und der Bär wird zum Lamm. Darf im Vaterhaus ankommen. Bevor er seine Heimat verlassen muss. „Im Dienst der Kirche spreche ich dich los von deinen Sünden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gehe hin in Frieden.“
In eineinhalb Monaten ziehen wir in die neue Heimat ein. Seit der Story von soeben sind zwei Wochen vergangen. Aber für mich bleibt sie Wegweiser für das, worum es uns mit dem neuen Zentrum geht.
Da ist zum einen die Erfahrung von Heimat. Ich hoffe sehr, dass die Praterstraße Heimat sein darf. Für uns. Für viele, die den Herrn noch gar nicht kennen. Für viele, die heimatlos sind, denn das sind wir eigentlich alle. „Denn unsere Heimat ist im Himmel.“ (Phil 3,20) Aber Kirche ist ein Brückenkopf der himmlischen Heimat auf dieser Welt. Oder sollte sie zumindest sein. Heimat aber nicht rein menschlich gesehen. Nicht einfach, weil es dort andere Menschen gibt, die man sympathisch findet … und die anderen bleiben fremd. Der Christ kennt keine Fremde. Er teilt die Welt nicht in „Nächste“ und „Fremde“ ein. Seine Liebe ist nicht davon abhängig, ob ihm jemand sympathisch ist oder nicht, freundlich gesinnt ist oder nicht, seiner Liebe „würdig“ ist oder nicht. Der Nächste für den Christen ist einfach der, der vor ihm steht und seiner Hilfe bedarf. Und für ihn will ich, wollen wir alle Heimat bieten.
Die Heimat, die wir anbieten wollen, ist das Haus des Vaters. Dass es ein Ort sei, wo seine Umarmung spürbar wird. Ein Safe Space, wo man erstmal sich selbst sein darf, ohne Masken. Eine Herberge, wo das Öl des in den Sakramenten wirkenden Geistes Gottes und das Blut der Eucharistie in die Wunden gegossen wird. Ein Ort, wo der Samariter, Jesus – und wir alle, die wir einen Teil seines Leibes bilden – uns gemeinsam aufhalten, um den von Räubern Überfallenen zu pflegen und zu helfen, wieder zu Kräften zu kommen. Auch wenn das uns etwas kostet. Auch wenn wir dafür einen Preis zahlen. Auch wenn wir dadurch aus unserer Komfortzone herausgeholt werden. Auch wenn wir dabei uns außerhalb der Herberge bewegen, bereit, unsere Zeit, unsere Ressourcen sowie Talente und Charismen einzusetzen, um Wunden zu waschen und zu verbinden, um Menschen nach Hause zu holen, sodass sie selbst Teil dieser Familie werden und sich vom guten Samariter senden lassen. Jesus Christus ist die Heimholung Gottes der Welt. Und wenn seine Liebe in uns waltet, dann ist das Mitmachen an der Heimholung keine Nebensache, sondern eine Frage der Identität.
Vor einigen Tagen führte ich jemanden durch das neue Haus. Und mir wurde erneut bewusst, was für eine Gabe uns der Herr in die Hände legt. Und was für eine Verantwortung das ist. Er traut uns doch einiges zu. Besonders, wenn man begreift, dass wir dieses Haus eben nicht für uns selbst bauen. Die Herberge ist da, um Menschen zu beherbergen, nicht einfach die Bediensteten. Kirche ist Gottes Rettungsanker für die Welt. Diese Verantwortung wird hoffentlich von uns allen verspürt. Hoffentlich sind wir nicht wie der Priester im Gleichnis, der keine Zeit hat, dem der Nächste „nichts angeht“. Und doch …
Diese Verantwortung kann belasten. Besonders, wenn einem bewusst wird, was für eine Verantwortung es ist. Worum es da geht. Ewiges Leben. Ewiges Heil. Besonders dann aber wird die Belastung unerträglich, wenn man versucht, sie selbst zu tragen. Und da war die Klausurnonne-Erfahrung wieder einmal so eine Bestätigung: Es ist Sache des Herrn. Es ist sein Projekt. Er hat unendlich viel mehr Interesse am Heil der Welt als ich das jemals haben könnte! Und das schenkt eine gewisse Gelassenheit. Wir alle sind nicht perfekt: Nicht wir als Einzelne und sicherlich auch nicht wir als Gemeinde. Aber solange wir voll auf ihn bauen, wirklich ALLES von ihm erhoffen und dann mit radikalem Vertrauen in unserem persönlichen und familiären Leben – aber auch wir als Gemeinde – in seinem Namen unsere Netze auswerfen, können wir getrost und voller Hoffnung in die Zukunft schauen.
In diesem Sinne eine Bitte am Schluss: Wir wollen diesen großen Schritt für unsere Gemeinde, für jeden von euch, der sich mit dem, was der Herr hier tut, verbunden fühlen, unter das Zeichen des Gebets stellen. Daher werden wir rund um den Einzug eine 24/7-Anbetungswoche halten. Und zwar ab dem 3. September, mehr Info dazu unten … Hier schon mal der Link, wo man sich anmelden kann, um eine oder mehrere Stunden zu übernehmen.
Danke für euer Mittragen und dafür, dass ihr euch in den Dienst nehmen lässt! Danke, dass ihr an seiner Vision mitbaut!
Gottes Segen!
P. George LC