„Lech lecha! Geh, es ist gut für dich!“

Geh hinter ihm her, denn es ist gut für dich! Das tun wir, das versuchen wir. Es geht darum, das so zu tun, wie wir sind, mit dem, was wir mitbringen an Stärken, an Schwächen, mit dem, was wir zuwege bringen in der Nachfolge und an dem, was schiefgeht.

von | 25. September 2025

Jonglieren mit vielen Themen

Mir kam gerade eine Erinnerung an einen Workshop mit der Diözesanleitung, wo uns am Abend jemand eingeladen hatte, einfach nur um mal aus den Themen rauszukommen, der mit uns jonglieren geübt hat. Haben Sie das schon mal probiert? So mehrere Bälle in der Luft halten … wir haben nicht mit Bällen jongliert, das waren Stofftücher, die sich etwas langsamer in der Luft bewegen. Ich bin völlig unbegabt, also bereits bei drei fällt mir dann immer eins runter und ein bisschen muss ich jetzt daran denken, denn heute jonglieren wir mit ziemlich vielen Themen gleichzeitig und ich habe keine Ahnung, ob mir das gelingen wird. Es sind zumindest drei große Themen im Raum und dann natürlich noch 100 andere mit dem, was wir in diesen Gottesdienst mitgebracht haben.

Das erste große Thema ist natürlich die Segnung dieses wunderbaren Raumes. Das zweite großes Thema, mit dem wir begonnen haben, und mindestens genauso beeindruckend für mich, als ich das das erste Mal vor gefühlten 100 Jahren, als ich noch Pfarrer war, selber mit der Aufnahme erwachsener Katechumenen feiern durfte. Ich sage Ihnen, das hat einen großen Impact auf unsere Gemeinde … ein anderes Thema, ich muss aufpassen, dass ich da jetzt nicht zu früh abbiege und noch eine Zusatzpredigt einhänge. Das dritte große Thema sind heute die Lesungen des Wortes Gottes der Kirche.

Viele Bälle, die da in der Luft sind und ich garantiere nicht, dass ich es schaffe, alle gut zu bewältigen. Ich probiere es. Ich hoffe, dass mir keiner der Bälle runterfällt – und dass ich es innerhalb einer vernünftigen Zeit schaffe. Wenn’s zu lang wird, drücken Sie das durch dezentes Gähnen aus. Ich schau schon ein bisschen, dann weiß ich, jetzt ist es vielleicht gescheit, Richtung Ende abzubiegen. Geplant hätte ich eins, ob ich dann dort ankomme, schauen wir mal.

Nachfolge Jesu – hinter ihm hergehen

Also wo fangen wir an? Fangen wir beim Evangelium an und bei diesem Kirchengebäude – und ich hoffe, dass wir am Ende dann beim Altar und bei der Altarweihe den letzten Ball in der Hand haben. Also Evangelium und dieses Kirchengebäude: Das passt ja schon ein bisschen zusammen oder der Vergleich, den Jesus vom Turmbau bringt. Ihr habt nicht einen Turm gebaut, sondern ein Haus umgebaut, aber ich vermute, lieber George und liebe deine Mitarbeiter: Ihr habt – weil sonst würden wir heute nicht hier sitzen – gut vorgeplant – im Unterschied zum Bild im Evangelium, wo Jesus sagt: Wenn du nicht planst, dann steht der Turm nur halbfertig da oder fällt in sich zusammen, weil das Fundament nicht steht. Also auf den ersten Blick ist das euch doch recht gelungen. Wer über Vorplanen und Projektmanagement was wissen will: Hier sitzt der Experte!

Jesus verwendet natürlich im heutigen Evangelium ein Bild. Damit sind wir schon bei dem, womit wir unseren heutigen Gottesdienst begonnen haben, der zweite Ball, mit dem ich jongliere, bei unseren Katechumenen. Jesus erzählt dieses Bild für Menschen, die sich auf einen Weg mit Jesus einlassen. Es geht schlicht und einfach um die Frage. Was ist ein Essential für den Weg als Christ? Und was muss ich, wenn ich auf diesem Weg baue, vorbereiten? Das ist relativ einfach, ein Satz, in den Jesus zwei Dinge hineinpackt: hinter mir hergehen. Ich finde das schön, dass die revidierte Einheitsübersetzung nicht nur sagt mir nachfolgen, sondern wörtlich hinter mir hergehen. Das kann man sich gut vorstellen, was das heißt, jemand nachfolgen, hinter ihm hergehen und sein Kreuz auf sich nehmen. Das ist die Vorbedingung für einen Weg mit Jesus. Diese Entscheidung muss fallen. Das ist letztlich das, was ihr, vorher am Beginn des Gottesdienstes, beim Eingang und hier, unsere Katechumenen gefragt habt: Wollt ihr das? Hinter Jesus hergehen, auf ihn hören, sich an ihm orientieren, in seiner Spur bleiben nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen, weil das leichter geht und – das finde ich ja spannend – mit dem eigenen Kreuz.

Ich würde das ganz prosaisch so übersetzen: mit meinem Kreuz, so wie ich bin, nicht mit irgendeinem anderen, nicht mit irgendeinem, nicht mit irgendwas, was ich mit meinem Hirn zusammenkonstruiere, sondern so, wie ich bin mit meinen Stärken und Schwächen, mit den – um jetzt beim Bild vom Gehen zu bleiben – Blasen, die entstehen, wenn man halt lang hinter jemandem hergeht, mit der Müdigkeit, mit dem manchmal sich auch Rebellieren gegen diesen Weg, der da vorgegangen wird und so weiter. Das gehört alles dazu.

Natürlich, ganz so soft ging das im heutigen Evangelium nicht. Denn Jesus hängt so zwei Dinge an diese eine Nachfolge-Bedingung, die zumindest in diesen beiden Rahmenbemerkungen nicht gerade ansprechend klingt: alles zurücklassen, über die man auch intensiver nachdenken könnte: Besitz geringachten und eigene familiäre Beziehungen. Wie hat das geheißen am Beginn: Vater, Mutter, Frau, Kinder, sogar sein Leben geringachten und am Ende dann noch einmal: Keiner kann Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet. Recht heftig formuliert. Ich habe jetzt eine gute Ausrede, ich schupfe diesen Ball wieder in die Luft, weil es noch andere gibt, darüber könnte man noch viel mehr nachdenken. Aber vielleicht eins, bei dem ich bleib, der könnte einem seltsam anmuten: Jesus formuliert Nachfolgebedingungen, die zumindest in diesen beiden Rahmenbemerkungen gar nicht wahnsinnig ansprechend klingen: alles zurücklassen. Warum sind sie trotzdem so ansprechend, dass wir uns alle und viele Millionen und Milliarden Menschen vor uns sich auf diesen Weg gemacht haben?

Salomos hörendes Herz

Zurück wieder zum Ball der heutigen Liturgie und zum Text, den wir in der ersten Lesung gehört haben und auch da nur ganz kurz angerissen. Der Text aus dem neunten Kapitel des Buchs der Weisheit (9,13-19), dieses Kapitel, das sich auch als Ganzes zu lesen lohnen würde, es ist nur ein kleiner Ausschnitt, bringt ein langes Gebet des Weisen des Alten Testaments, des Königs Salomo, also könnte man sagen: Für die biblische Tradition, der Weiseste ist mehr als gescheit, der Weiseste ist einfach König Salomo, wahrscheinlich aufgehängt an dieser auch wieder wunderschönen Episode – jetzt bringe ich noch einen Ball ins Spiel, den ich eigentlich nicht ins Spiel bringen wollte, egal, aber wahrscheinlich kennen Sie sie, wo – fast wie in einem Märchen, es ist noch nicht die Fee und es sind nicht drei Wünsche, sondern nur eins, das ist – der liebe Gott vor Salomo steht und sagt: Wünsche dir was! Und Salomo sagt darauf: Ein hörendes Herz. Ein wunderbares Bild. Deshalb ist er der Weiseste in der biblischen Tradition, weil er um ein hörendes Herz bittet. Grundvoraussetzung für Nachfolge ist ein hörendes Herz.

Was aber heißt das in unserem Kontext? Im neunten Kapitel des Buchs der Weisheit, was ein ganz spätes Buch des Alten Testaments ist, das vermutlich in der jüdischen Diaspora in Alexandrien entstanden ist, vermutlich Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus, da tritt dieser, da lässt der Autor dieses Buches – sagen wir es mal besser so – diesen Weisesten aller Könige über sein Leben reflektieren, über sein Kreuz – wir ergründen nur mit Mühe, was im Himmel ist – und letztlich über die Frage: Was zieht mich denn trotzdem an, wenn das alles so mühevoll ist, wenn es dieses Kreuz gibt, auf dem Weg zu bleiben?

Das Stichwort heißt Weisheit, göttliche Weisheit. Da gibt’s etwas bei Gott, das ihn fasziniert und anzieht und auf seinem Weg bleiben lässt, so würde ich das mal übertragen. Und jetzt bring ich geplanterweise noch einen weiteren Ball ins Spiel, weil ich mich gefragt habe, aber das hat wieder mit unseren Katechumenen zu tun: Was könnte denn, wie heißt das, wie schaut das aus für uns, das, was uns da an Gott anzieht? Was dann Salomo als Weisheit nennt, was letztlich die Jünger veranlasst hat zu sagen: Ich gehe hinter Jesus nach und was viele Millionen Menschen veranlasst hat, sich auf diesen Weg einzulassen. Was ist das?

Abraham – „Lech lecha“

In meinem Nachdenken bin ich dann wieder in der Bibel gelandet, bei jener Person in der Bibel, die letztlich die erste ist, nachdem da alles von der Schöpfung und den Grundvoraussetzungen unseres Lebens erzählt wurde, im Buch Genesis, die die erste Person ist, die sich auf einen Weg mit Gott einlässt. Sie wissen schon, wen ich meine: den alten Abraham. Und am Anfang der Geschichte des Abrahams steht da ein Wort, das Gott ihm sagt, genauer gesagt, zwei Worte auf Hebräisch, die ich total faszinierend finde und die für mich das enthalten, worüber wir jetzt miteinander nachdenken. Gott sagt dem Abraham – und da sind die ersten Worte nach der Schaffung der Welt und Flut und so, die ersten Worte, die er an einen Menschen richtet, mit dem letztlich die ganze biblische Geschichte beginnt. Nicht umsonst sagt Paulus: Abraham ist unser Vater im Glauben, mit ihm fängt es an. Auf Hebräisch sagt er ihm und das verstehen Sie vermutlich alle: lech lecha. Das erste Wort ist der Imperativ von lech, geh! und der zweite ist gar nicht so einfach zu übersetzen, heißt: für dich. Geh, für dich! Die alten Kommentatoren sagen: eh klar. Das, was das heißt, ist: geh! Der Weg ist für dich, auf den ich dich da losschicke. Geh, der Weg ist gut für dich! Und ich denke, Abraham und alle nach ihm, die so etwas wie einen Ruf Gottes gehört haben, haben genau das verspürt. Es ist für mich gut, bei allen Hindernissen, bei allen Kreuzen, die sich da rundherum aufbauen, letztlich: Der Weg ist lecha, für dich – oder wie dann für mich. Das ist mein Weg, auf den Gott mich führt – weil er es gut mit mir meint. Damit bin ich schon auf der Zielgeraden.

Der Altar als Tisch Gottes

Die Zielgerade ist noch einmal Abraham. Und ein Moment, etwas später nach dieser Episode, wo Gott ihn das erste Mal ruft und ihm dann – sie wissen das – Nachkommen und ein Land verspricht. Eine Episode, die ein russischer Ikonenmaler, der zwischen dem Ende des 14. und Beginn des 15. Jahrhunderts gelebt hat, Andrei Rubljow, Sie sehen die Ikone eingeblendet und kennen sie vermutlich, festgehalten hat.

Die Episode: Ein heißer Sommertag, Abraham und seine Frau Sara sitzen vor ihrem Zelt, das ist dieses Gebäude auf der linken Seite der Ikone im Hintergrund versucht darzustellen, bei den Eichen von Mamre, deshalb steht in der Mitte ein Baum und da kommen drei Fremde des Weges daher, orientalische Gastfreundschaft, natürlich lädt er sie zum Essen ein. Und es findet ein Mahl statt zwischen diesen drei Fremden, die Bibel sagt: Engel, Abraham und Sara. In diesem Mahl versprechen die drei Fremden dem Abraham, dass er und Sara binnen Jahresfrist ein Kind haben werden. Kleine Pointe am Rande: Sara findet das unheimlich komisch und ziemlich verrückt, lacht, weshalb das Kind dann Jitzach, was auf Hebräisch lachen bedeutet, weshalb das Kind dann Isaak genannt werden wird. Sie hat gelacht, andere Geschichte. Ich bleib dabei: Wie stellt dieser Andrei Rubljow diese Szene dar? Das erste Auffallende: Er lässt Abraham und Sara weg, die sind nicht auf dem Bild. Was man vom Mahl, vom Mastkalb sagt die Bibel, das Abraham und Sara schlachten und zubereiten, damit die Fremden was zu essen haben, sieht, ist in der Schüssel auf dem Tisch noch der Kopf des Kalbes. Aber schon die Schüssel schaut eigentlich aus wie ein Kelch, den wir bei der Eucharistiefeier verwenden. Und wer genau hinschaut, erkennt, dass der Tisch auch eigentlich ein Altar ist, er hat von die kleine Reliquiennische, die fixe Altäre haben. Wo man die Reliquien hineingibt. Dieser Tisch ist also ein Altar. Abraham und Sara sind nicht da, die drei Gäste, die drei Engel sind um den Tisch herum, aber die Vorderseite des Tisches ist frei. Und wenn ich die Ikone anschaue, sitze ich dort auf diesem Platz, der da auf der anderen Seite frei ist. In aller Kürze: Das ist Eucharistie. Mit diesem ganz alttestamentlichen Bild. Gott lädt zum Mahl ein. Der dreifaltige Gott, der übrigens Kommunikation ist, das hat Rubljow meisterhaft dargestellt. Lädt dich an seinen Tisch. Und du darfst an diesem Tisch Platz nehmen. Wie gesagt: Die Vorderseite des Tisches ist frei. Der, der ganz besonders dazu einlädt, ist Gott in menschlicher Gestalt, ist Jesus Christus. Rubljow hat das versucht dadurch auszudrücken, dass der mittlere Engel angezogen ist wie üblicherweise Christus, auf der Ikone mit dem roten Untergewand und dem himmelblauen Mantel. Dieser Tisch, den wir dann in wenigen Minuten segnen werden, ist dieser himmlische Tisch. Hier nehmen wir Platz, aber an diesem Tisch nimmt auch Gott Platz und lädt uns ein, mit ihm zu feiern, mit ihm Gemeinschaft zu leben, uns von ihm her stärken zu lassen, ein Stück Himmel zu erleben. Lech lecha, sagt Gott dem Abraham, Geh, es ist gut für dich! Lech lecha, davon bin ich überzeugt, hat Gott irgendwann einmal gesagt – und ihr wisst das wahrscheinlich besser, weil Ihr habt das unseren Katechumenen gesagt, sonst hätten sie sich heute nicht auf den Weg gemacht – und auf irgendeine Art und Weise hat er es jedem von uns gesagt: Geh, folge mir nach! Es ist gut für dich.

Schlussgedanke

Ich komme zurück zum Beginn, zu den Voraussetzungen, die Jesus heute formuliert: Hinter ihm hergehen, das Kreuz auf sich nehmen. Die zweite Geschichte, bei der wir jetzt gelandet sind bei unserem Jonglieren, bei der wir bald sein werden, bei der Segnung des Altares, bringt das Ganze, bringt diese Grundvoraussetzung noch einmal in ein anderes Licht: Ja, es geht darum, hinter Jesus herzugehen. Das tun wir, das versuchen wir. Es geht darum, das so zu tun, wie wir sind, mit dem, was wir mitbringen an Stärken, an Schwächen, mit dem, was wir zuwege bringen in der Nachfolge und an dem, was schiefgeht.

Aber das Ganze steht unter der großen Zusage: Geh hinter ihm her, denn es ist gut für dich! Diese Zusage wird man vermutlich auf die eine oder andere Weise immer wieder in unserem Leben spüren. Ganz besonders, wenn wir hier an seinen Tisch kommen, seine Gäste sein und seine Nähe erfahren dürfen.“