Zentrum Johannes Paul II. – warum heißen wir so?

Öfters werde ich gefragt, warum das Zentrum Johannes Paul II. nach diesem Heiligen benannt wurde. Ich möchte die Gelegenheit des heutigen Gedenktages nutzen und versuchen, das in drei Punkten zusammenzufassen.

  1. Johannes Paul II. hat wie wenige andere gezeigt, dass Jesus Christus die Antwort auf die tiefste Sehnsucht des Menschen ist. Er ist der Weg des Menschen. Und sein Ziel. Ohne ihn hat das Leben des Menschen keinen Sinn und ohne ihn bleibt der Mensch sich selbst ein Geheimnis. Schon in seiner allerersten Predigt als Papst, also heute vor 43 Jahren, rief Johannes Paul II. aus:

Christus weiß, „was im Innern des Menschen ist“. Er allein weiß es! Heute weiß der Mensch oft nicht, was er in seinem Innern, in der Tiefe seiner Seele, seines Herzens trägt. Er ist deshalb oft im Ungewissen über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Er ist vom Zweifel befallen, der dann in Verzweiflung umschlägt. Erlaubt also – ich bitte euch und flehe euch in Demut und Vertrauen an –, erlaubt Christus, zum Menschen zu sprechen! Nur er hat Worte des Lebens, ja, des ewigen Lebens!“ (Hl. Johannes Paul II., 22.10.1978)

Christus ist das Bild, durch das der Mensch die gesamte Wirklichkeit versteht. Die frühen Christen nannten das Katechumenat, das heißt, die Vorbereitung auf die Erwachsenentaufe, als einen Weg der „Erleuchtung“. Warum? Weil ohne Christus der Mensch in der Finsternis herumtappt. Ohne Christus verkennt der Mensch Ziel und Weg. In der Begegnung mit Christus, so wie der Blinde Bartimäus, von dem wir am Sonntag in der Messe hören werden, beginnt der Mensch zu sehen. Er kennt zuallererst, dass er angeschaut wird. Und zwar mit einem Blick der vollkommenen Annahme und der Liebe. In diesem Blick erkennt er, dass sein Leben gut ist, das es gut ist, dass er lebt. Dass er eine unendliche Bestimmung hat. Dass das Loch im eigenen Herzen, die anscheinend unstillbare Sehnsucht nach Anerkennung, für jemanden wichtig zu sein, die Annahme, die Bedeutsamkeit, die Sehnsucht nach Geborgenheit und Sinn, nicht einfach ein Unfall der Natur oder die Grausamkeit eines willkürlichen demagogischen Machtwesens ist. Es ist Resultat des Angeschautwerdens eines liebenden Vaters, der Blick eines unendlichen Gottes, Resultat einer Freiheit, die auf die freie Antwort des Menschen wartet, eine Liebe, die unsere Sehnsucht stillen kann und will.

Das Zentrum Johannes Paul II. will ein Ort sein, wo Menschen genau das erfahren dürfen. Wo Menschen Jesus als authentischen Weg und Wahrheit und Leben entdecken, als den, der wirklich befreit und lebendig macht, zur Fülle des Lebens führt.

  1. Aus dem Gesagten folgt der zweite Punkt. Johannes Paul II. hat wie wenige andere gezeigt, dass das Christentum ein radikaler Humanismus ist. Es ist eine radikale Entscheidung für den Menschen. Erstens deswegen, weil Christus dem Menschen sein Menschsein kundtut. Er zeigt ihm, was es heißt, eigentlich Mensch zu sein. Und es eben nicht nur zeigt und in sich selbst realisiert und verwirklicht, sondern auch deswegen, weil er den Menschen dazu befähigt, diese beste Version seiner selbst zu werden. Aber diese „beste Version“ ist nicht einfach eine Hilfe zum Bewusstwerden für das, was sowieso im Menschen verborgen ist. Der Mensch rettet sich nicht selbst. Christsein ist kein egoistischer, selbstzentrierter Selbstverwirklichungstrip. Es ist ein Sich-lieben-Lassen und ein Antworten auf diese Liebe. Christsein ist Beziehung. Intimste Liebesbeziehung mit keinem Geringeren als mit Gott selbst. Christus ermächtigt den Menschen zu seiner höchsten Bestimmung hin: Sohn Gottes zu heißen und zu sein. Er gibt ihm Fähigkeiten, Kraft des Heiligen Geistes, zu denen er ohne Christus überhaupt keinen Zugang hätte. Der hl. Johannes Paul II. drückte das einmal in Fulda so aus:

„Der Mensch, der seine Berufung und Sendung erkennt, spricht zu Gott von seiner Schwäche. (Viele) … scheinen heute oft diese Schwäche zum Grundprinzip alles anderen zu machen, indem sie diese fast zu einem Menschenrecht erklären. Christus hingegen hat uns gelehrt, dass der Mensch vor allem ein Recht zur eigenen Größe hat, ein Recht, auf das, was ihn eigentlich überragt. Denn gerade hierin zeigt sich besondere Würde; hierbei offenbart sich die herrliche Macht der Gnade: unsere wahre Größe ist ein Geschenk aus der Kraft des Heiligen Geistes. In Christus hat der Mensch nun ein Anrecht auf solche Größe. Und die Kirche hat durch denselben Christus ein Anrecht auf das Geschenk dieses Menschen …“ (Fulda, 17.11.1980)

Wir im Zentrum Johannes Paul II. wollen den Weg dieses radikalen Humanismus gehen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen befähigt werden, ihre wahre Größe zu erkennen, danach streben und in der Welt aufstrahlen lassen.

  1. Nur wenige haben Jesu Wort „Geht in die ganze Welt hinaus und verkündet das Evangelium“ so ernst und so wortwörtlich genommen wie Johannes Paul II. Wenn der Mensch sich erst durch Jesus Christus verstehen und begreifen kann, wenn ohne ihn das Leben sinnlos ist und letztlich zur Verzweiflung führt, wenn erst durch ihn der Mensch zu seiner wahren Größe findet, dann kann man auch einen Paulus verstehen, der ausrufen würde: „… denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde.“ (1 Kor 9,16) Es ist aber kein Zwang eines von außen auferlegten Pflichtbewusstseins. Es ist vielmehr der „Zwang“ der Liebe. „Die Liebe Christi drängt uns.“ (2. Kor 5,14) Es ist die Antwort eines Jüngers, dessen Herz vom Herrn entzündet worden ist und der mit anderen dieses Feuer teilen will. Der sagt, „das ist so groß und wunderbar, das kann ich nicht einfach für mich selbst behalten, davon muss ich anderen erzählen“: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.“ (Apg 4,20) In Johannes Paul II. war sein Sich-Einfügen in die Leidenschaft Gottes für den Menschen spürbar. Man sagt, wenn er dich angeschaut hat, hättest du gedacht, es gäbe keinen anderen Menschen auf der Welt als dich selbst, auch wenn Hundertausende um dich herumgestanden sind. Sein Blick hat etwas von dieser Einzigartigkeit der persönlichen Liebe Gottes für mich vergegenwärtigt.

Die Frohbotschaft, die Johannes Paul II. verkündigt hat, war genau das: FROH. Er hat wie wenige andere die Schönheit der befreienden Botschaft des Glaubens aufgezeigt. Wie herrlich sie ist. Wie großartig. Sei es die „Theologie des Leibes“ über die menschliche Sexualität, Liebe und Beziehung. Seien es seine großen Schreiben und Ansprachen der Barmherzigkeit Gottes. Seien es seine Frieden stiftende Tätigkeit wie zum Beispiel zwischen Argentinien und Chile oder sein Beitrag zum Zusammenbruch des Kommunismus (man denke an seinen Besuch in Polen 1979, wo für 15 Minuten eine Millionen Menschen vor der ganzen atheistisch-kommunistischen Welt friedlich, aber inständig zugerufen haben: „Wir wollen Gott!“). Sei es seine Verteidigung der Zentralität der menschlichen Person in der Soziallehre der Kirche, egal ob das menschenverachtende System Kommunismus hieß oder radikaler Kapitalismus. Er war nicht einer, der sagte, Evangelium sei nur Privatsache. Nein. Die Frohbotschaft habe alle Ecken und Ränder des Menschlichen zu durchdringen! Der frühere Papst hat die oben erwähnte Predigt am Beginn seines Pontifikates so beendet:

„Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts seiner rettenden Macht! Habt keine Angst! Christus weiß, was im Innern des Menschen ist. Er allein weiß es!“

Wir im Zentrum Johannes Paul II. wollen evangelisieren. Wir sind uns bewusst, dass nur dort, wo „Gott“ großgeschrieben wird, auch der Mensch groß wird. Das Evangelium, Gott, steht nicht gegen den Menschen. Im Gegenteil. Wo er verkannt wird, driftet der Mensch sehr oft ab in eine menschenverachtende Ideologie. Evangelisieren heißt für uns, dass wir Menschen befähigen wollen, die Schönheit des Evangeliums in alle Gesellschaftsbereiche hineinzutragen. Und wir wollen Menschen, die den Herrn noch nicht kennen, einen Raum schenken, um ihn kennenzulernen. Auch darin war Johannes Paul II. ein Meister. Gerade weil er bei den Sehnsüchten des Menschen begonnen hat. Weil er gezeigt hat, dass das Christsein zuallererst eine Entscheidung für die Liebe ist. Das der Christ vor allem für etwas, für jemand steht: für Jesus Christus und für den Menschen. Und gerade deswegen ist er auch gegen den Egoismus, gegen alles, was Gott und den Menschen verachtet. Wer das Zentrum Johannes Paul II. kennt, weiß, dass wir genau diesen Weg zu gehen versuchen. Sicherlich sind wir nicht immer perfekt. Sicher machen wir viele Fehler. Aber wir ringen darum, ein Ort zu sein, wo Menschen Liebe erfahren und Liebe schenken können, und sie zugleich in all ihrer Größe entdecken können, die Liebe, die letztlich einen Namen hat: Gott selbst.

Ein Letztes. Johannes Paul II. war nicht jemand, der mit seinen beiden Händen in der Hosentasche herumgelaufen ist und nichts gemacht hat. Er war SEHR aktiv. Und doch. Er wusste auch, wo die Prioritäten zu setzen sind: Nur zwei Wochen, bevor er starb, erinnerte er die Jugendlichen in Rom während einer Anbetung daran – es ist wie ein geistiges Testament:

„Wie sollten wir, während wir Dich anbeten, nicht an die vielen Dinge denken, die wir tun sollten, um Dich zu preisen? Müssen wir aber nicht gleichzeitig dem hl. Johannes vom Kreuz Recht geben, der zu sagen pflegte: »Jene, die sehr aktiv sind und meinen, mit ihren Moralpredigten und mit ihren äußeren Werken die Welt zu umfassen, sollen sich daran erinnern, dass sie für die Kirche von größerem Nutzen und Gott viel willkommener wären, wenn sie, ohne von dem guten Beispiel zu reden, das sie geben würden, wenigstens die Hälfte der Zeit damit verbringen, bei Ihm im Gebet zu verweilen«? Jesus, hilf uns zu begreifen, dass wir für das »Tun« in Deiner Kirche, auch in dem so dringlichen Bereich der Neuevangelisierung, zunächst lernen müssen zu »sein«, das heißt, bei Dir zu sein in der Anbetung, in deiner angenehmen Gesellschaft. Allein aus einer innigen Gemeinschaft mit Dir erwächst die echte, wirksame, wahre apostolische Tätigkeit.“ Johannes Paul II., 15.3.2005

Gebet. Seine Gegenwart. Ohne Gebet führt alles andere genau nirgendwo hin. Auch deswegen freut es mich, dass wir hier uns immer mehr um eine echte Kultur des Gebets bemühen. Und dass wir jetzt jede Woche zwei Tage hindurch anbeten. Und dass wir am Sonntag wieder 24/7 starten.

Die Antwort auf die tiefste Sehnsucht des Menschen. Ein radikaler Humanismus. Ein dezidierte Entscheidung für die Evangelisierung. Das Gebet. Deswegen heißt dieser Ort „Zentrum Johannes Paul II.“ Wir bitten um seine Fürsprache. Und danken dem Herrn, dass er ihn uns geschenkt hat. Dass wir etwas von seinem liebenden Herzen besser begreifen durften und dürfen.

 

Gottes Segen!
P. George LC