Die „Theologie des Leibes“ besagt vor allem: Das, was am meisten real ist in dieser Welt, ist nicht das, was wir sehen, sondern das, was wir nicht sehen. Das Wesentlichste des Geschenks ist nicht die Blume, sondern die Liebe, die durch die Blume offenbar wird. Das Realste im Menschen sind nicht Haut und Haare, deren Zellen andauernd erneuert werden und wieder sterben, sondern das Ich und das Du, die Haut und Haare vergegenwärtigen. Nur der Körper kann das Unsichtbare sichtbar machen. Der Körper offenbart den Geist, der Körper gerade als Mann, als Frau, in seiner Sexualität. Der Körper offenbart sich selbst dem Menschen, er zeigt ihm, wer er eigentlich ist, gerade auch in seiner Sexualität.

Der menschliche Körper ist nicht etwas, was der Mensch hat oder besitzt, so wie er ein Auto hat oder ein Grundstück besitzt, vielmehr ist der Mensch sein Körper, der Körper ist die Vergegenwärtiung des Menschen selbst. Wie Papst Benedikt XVI. festhielt: „Der Körper ist nicht dem Geist äußerlich, sondern der Ausdruck seiner selbst“ (in „Das Ostergeheimnis“). Deswegen hat der Körper eine unantastbare Würde – eine Verletzung des Körpers ist nicht das Gleiche wie eine Kirsche in die Hälfte schneiden: Eine Körperverletzung ist eine Verletzung des Menschen selbst.
Positiv ausgedrückt: Der Körper ist als Ausdruck des Geistes etwas Heiliges. Gerade auch deswegen, weil der Mensch Abbild Gottes ist – und hier beeindruckt: Er ist Abbild nicht nur seines Geistes, nicht nur deswegen, weil er denken und lieben und sich frei entscheiden kann. Er ist auch Abbild deswegen, weil er Mann und Frau ist. Hat das mit Körperfeindlichkeit zu tun? Ganz im Gegenteil! Wieviele Menschen hassen ihren eigenen Körper, wünschten, sie wären ständig jemand anderes, würden anders ausschauen, jünger oder älter, dicker oder dünner, eine längere oder kürzere Nase, dunklere oder hellere Haut, blonde oder schwarze Haare… Der Körper verweist auf die Einzigartigkeit dessen, der durch den Körper gegenwärtig ist.

Platon dachte, der Unterschied der Geschlechter weise auf einen Fehltritt, eine Art Ursünde des Universums hin, viel einfacher und besser sei es, wenn es den Menschen nur in einer Ausführung gäbe. Geschlechtlichkeit aus der Perspektive des Glaubens weist genau auf das Gegenteil hin: Der Mensch ist Abbild Gottes, vor allem in seiner im Leib ausgedrückten Fähigkeit zur gegenseitigen Hingabe in der Liebe, die Johannes Paul II. als „die bräutliche Bedeutung des Leibes“ bezeichnen würde. Aber nicht irgendwie abstrakt, sondern ganz konkret: Du, Hans, oder du, Fritz, oder du, Hannelore, du bist großartig in deiner Einzigartigkeit und in deiner leiblich eingeschriebenen Liebesfähigkeit. Erkenne, wer du bist.