Wie sieht Friede aus? – eine Überlegung zur aktuellen Lage

Wie sieht Friede aus? Eine Kuh küsst einen Mann. Oder andersherum. Naja, wenigstens sah das Plakat so aus. Viel mehr habe ich nicht mehr wahrnehmen können, als ich auf der Autobahn Richtung Flughafen fuhr und mir ein Seitenblick diesen Eindruck bescherte. Wie sieht Friede aus? Kühe küssende Männer werden den Irankonflikt nicht lösen. Oder vielleicht doch? Dagegen spricht so ziemlich alles. Ist das mit der Kuh nicht einfach oberflächlich und naiv in Anbetracht der enormen Komplexität der heutigen Probleme?

Und doch. Natürlich könnte man darüber argumentieren, was dieses Plakat eigentlich aussagen wollte. Aber vielleicht kann man dahinter eine Intuition erspüren, die nicht so weit von dem entfernt ist, was der Christ unter Frieden verstehen würde. Frieden hat etwas mit Harmonie und Ordnung zu tun. Der hl. Augustinus würde den Frieden als „tranquilitas ordinis“, als die „Gelassenheit, die von der Ordnung stammt“ definieren. Wenn die Dinge in Bezug aufeinander am rechten Platz sind, dann kann Frieden sein. Die Frage drängt sich allerdings auf, was es heißt, am rechten Platz zu sein. Vor allem auch deswegen, weil es ja um eine dynamische Ordnung geht, da die Dinge ständig in Bewegung sind, weil die Umstände sich ständig ändern.

Friede & seine Komponente

Der Frieden im eigentlichen Sinn hat immer etwas mit den Menschen selbst zu tun. Weil er das einzige Wesen auf der Erde ist, das sich durch seine Freiheit gegen die rechte Ordnung der Dinge auflehnen kann. Für ihn ist es ein ständiges Ringen, nicht aus der rechten Ordnung hinauszufallen bzw. in sie zurückzukehren. Und das fängt mal gleich bei ihm selbst, in Bezug auf sich selbst an. Die Ordnung im eigenen Herzen. Die Unordnung zwischen dem, was er sagt, und dem, was er tut. Zwischen dem, was er glaubt, und dem, was er sagt. Zwischen dem, was er tut, und dem, was er glaubt. Aber auch wenn das alles übereinstimmt, aber sein Glaube nicht mit der Wirklichkeit selbst übereinstimmt, dann entsteht wieder eine Unordnung. Und daher ist Wahrheit immer eine Bedingung für jeden bleibenden Frieden.

Noch viel fundamentaler ist die Ordnung in seiner Beziehung zu Gott. Das ist die erste Beziehung, die der Mensch ordnen muss, wenn andere Beziehungen heilen sollen. In jeder Sekunde steht er ja in der Abhängigkeit von dem, der ihm im Dasein erhält. Um mit der hl. Edith Stein zu sprechen, in jedem Augenblick stehen wir auf Messers Schneide zwischen dem Nichts und der ganze Fülle göttlichen Lebens. Dieses göttliche Leben ist das, was den Menschen voll lebendig werden lässt. Es wird ihm immer etwas fehlen, solange er sich nicht diesem göttlichen Leben, das die Liebe ist, öffnet und sich ihr hingibt. Er wird immer sehr weit, unendlich weit unter seiner eigentlichen Berufung leben, solange er sich nicht auf der Suche nach dieser Beziehung macht.

Friede & Menschenwürde

Und der Frieden unter uns? Der kann kein „Waffenstillstand“ sein. Ein Waffenstillstand ist ein Pulverfass, das nur auf eine Gelegenheit wartet, zu explodieren. Friede ist so viel mehr. Und ja, es stimmt schon. Ich kann dich auch respektieren, ohne an Gott zu glauben. Ich kann dich auch dann lieben, wenn ich nicht in die Kirche gehe. Und doch. Ich finde es sehr schwer, die Würde des Menschen zu argumentieren, wenn man Gott verneint. Es kann dann zwar noch pragmatische Gründe geben, warum man einen anderen respektieren und sogar wertschätzen soll, aber das ist für mich zu oberflächlich und labil. Denn wenn Gott nicht existiert, dann: Wer bist du, mir zu sagen, dass ich dich respektieren soll? Gut, sagen kannst du es schon. Aber woher hast du einen moralischen und nicht nur einen praktischen Anspruch darauf? Auf welchem Fundament baust du die Menschenwürde ohne Gott? Ohne einen gemeinsamen Vater, der uns beide geschaffen hat, der uns überhaupt eine moralische Ordnung in unsere beiden Herzen gelegt hat?

Friede & Feindesliebe

Für einen Christen geht das noch weiter. Es geht sogar um die Feindesliebe. Denn unsere unantastbare Würde beruht nicht auf unserem Tun – und sei es noch so heiligmäßig. Unsere Würde beruht auf der Tatsache, dass wir Kinder eines Vaters sind, der uns Kinder nennt. (siehe 1 Joh 1,3) Unsere Würde beruht auf der Tatsache, dass ein ganzer Gott sein Leben für mich gegeben hat, weil er anscheinend sogar mein Leben höher einschätzt als sein eigenes, weil er ja bereit ist, sein Leben für mich zu geben – und der deswegen sagen kann: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)

Für einen Christen hat Friede deswegen einen Namen: Jesus Christus selbst. „Denn er ist unser Friede.“ (Eph 2,14) Bitten wir ihn, dass wir, dass die Welt das nach dem Ende dieser Weihnachtszeit nicht vergisst.

Gottes Segen!
P. George

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