God, Sex, Soul #Theologie des Leibes Blog Nr. 5.
In den Beiträgen zuvor wurde festgestellt, dass die Liebe nur durch den Körper ausgedrückt werden kann, es wird eine unsichtbare Wirklichkeit durch ein sichtbares Zeichen vergegenwärtigt, weshalb man von einem Sakrament spricht.
Die Glaubensperspektive geht aber noch einen Schritt weiter und besagt: Die ganze materielle Welt ist „sakramental“ aufgebaut (sichtbare Dinge stehen für unsichtbare und vergegenwärtigen sie auf Gott hin). Und zwar deswegen, weil der ganze Kosmos der Raum des göttlichen Geistes, dessen äußerer Ausdruck, ist. Wie viele Menschen haben gemeint, das Göttliche in der Schönheit der Schöpfung – zum Beispiel in einem prachtvollen Sonnenuntergang, auf einer atemberaubenden Bergtour – gefunden zu haben? Das heißt, die Glaubensperspektive besagt, dass nicht nur der Mensch sich durch seine körperlichen Handlungen selbst offenbart, Gott tut dasselbe: Die sichtbare Schöpfung, die Natur, ist Ausdruck Gottes, sagt etwas darüber aus, wer er ist. In der Glaubensperspektive ist der Mensch nun der Gipfel der Schöpfung und somit ist der Körper des Menschen eine Offenbarung Gottes. Der Körper des Menschen zeigt uns, wer Gott selbst ist. Wie das?
Es gibt zwei alte philosophische Grundsätze: „agere sequitur esse“ und „omne agens agit sibi simile“ (das Handeln folgt auf das Sein und so, wie etwas ist, so handelt es), die genau das ausdrücken wollen. Eine Katze macht „Miau“ und nicht „Wau“. Ein Apfelbaum produziert Äpfel und legt keine Eier. So, wie etwas ist, so handelt es auch. Was ein Mensch tut in/mit seinem Körper (Worte, Blicke, jemandem ein blaues Auge schlagen, sich für einen Bedürftigen Zeit nehmen), sagt viel darüber aus, wer er ist. Das äußere Handeln eines Menschen deutet hin auf seine inneren Haltungen. An seinen Werken kann ich ihn erkennen. Auch Gott handelt so, wie er ist, ist an seinen Werken erkennbar. Und der höchste Ausdruck, den Gott von sich auf dieser Welt hinterlassen hat, heißt Mensch. Nichts kann so sehr zeigen, wer Gott ist, wie der Mensch: „Als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ Dem Glauben nach ist der Mensch ein Abbild Gottes. „Aber Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). Deswegen ist der Mensch ein Abbild der Liebe und kann sich selbst nur in dem Maß finden, wie er liebt. Andersherum: Abbild Gottes sein, heißt Abbild der Liebe sein, denn Gott ist die Liebe. Aber Liebe setzt Freiheit voraus und daher kann der Mensch sich frei in dieses Abbild-der-Liebe-sein einfügen oder sich dagegen entscheiden und ein „Zerrbild“ werden. Er kann dies. Er muss nicht. Aber da Liebe das eigene Sein zutiefst bestimmt, ist das freiwillige Ausscheiden aus der Liebe eine Lüge gegen das eigene Sein, ein Verneinen des eigenen Ichs, eine innere Spaltung, ein Selbstverlust, ein sicheres Rezept für Dauerfrust.
Johannes Paul II. ging noch einen Schritt weiter und wies darauf hin, dass das Abbild-Sein des Menschen mit seiner Körperlichkeit in Verbindung steht. Weder allein und an erster Stelle der Mann, noch die Frau allein versinnbildlichen Gottes Liebe, sondern ihre Gemeinschaft, die communio. Und diese Gemeinschaft verwirklicht sich mittels des Körpers, mündet in dem „Ein-Fleisch-Werden“ und darf seine Frucht im Geschenk des gemeinsamen Kindes tragen. Ein Gott, drei Personen. Der Vater, der den Sohn liebt, der Sohn, der den Vater liebt, die Liebe, die zwischen beiden so stark ist, dass sie einen Namen hat, Heiliger Geist. Eine Gemeinschaft, eine Einheit, die die einzelnen Personen in ihrer Einheit nicht auflöst, sondern erst richtig sein lässt. Keine gegenseitige Abhängigkeit, sondern Freiheit in der gegenseitigen Hingabe. Eine Liebe, die nicht beim Einzelnen stehen bleibt, sondern über die eigene Person hinausgeht und sich in einem gemeinsamen Wir wiederfindet. Das ist das Urbild der Beziehung zwischen Mann und Frau. Oder anders gesagt: Der Körper ist das Mittel und der Weg, durch den der Mensch Liebe und Gemeinschaft leben kann. Der Körper vergegenwärtigt die Liebe. Dort, in der Liebe, findet er seinen Sinn. Der Körper ist ein sichtbares Zeichen, das die unsichtbare Wirklichkeit der Liebe gegenwärtig setzt. Nur er kann das tun. Die Wirklichkeit der Liebe, die Gott heißt, wird durch den Körper in der Welt gegenwärtig. Deswegen müssen wir an dieser Stelle den zu Beginn dieses Kapitels aufgeführten Begriff „Sakrament“ noch etwas näher bestimmen. Es wurde nämlich gesagt, dass in einem weiteren Sinn ein Sakrament einfach ein sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit sei, welches diese Wirklichkeit nicht nur bezeichnet, sondern vergegenwärtigt. Nach diesen Überlegungen scheint es aber offenkundig, dass dies in Bezug auf den Körper des Menschen zu wenig ist. Denn die unsichtbare Wirklichkeit muss weiterhin etwas sein, was eine gewisse Ähnlichkeit mit Gott, der die Liebe ist, besitzt oder beinhaltet. Warum? Weil der Körper selbst Resultat des Tuns Gottes ist und als solches ein sichtbares Zeichen dessen, der ihn geschaffen hat: die Liebe. Das trifft auf den menschlichen Körper besonders deswegen zu, weil er in sich die „innere Dimension der Gabe trägt“. Das heißt, er ist liebesfähig. Zusammen mit dieser Gabe „trägt (er) seine besondere Gottesebenbildlichkeit in die Welt.“
Für den Christen wird das vor allem in Jesus von Nazareth sichtbar: „Das Wort ist Fleisch geworden“, im Körper, im Antlitz von Jesus von Nazareth sieht der Christ den unsichtbaren Gott, er wird durch den Körper gegenwärtig. Dies wiederum wird vor allem im KreuzZEICHEN sinnfällig: In der Hingabe Jesu von Nazareth und in seinem gekreuzigten Körper zeigt der Dreifaltige Gott das Wesen seiner Liebe und vergegenwärtigt diese. Der Gekreuzigte zeigt die Liebe, die Gott ist, er macht sie sichtbar, gegenwärtig. Dort erweist sich die Liebe nicht bloß als leeres Wort, dort nimmt sie Fleisch an.
Eine schöne Zusammenfassung vom soeben Gesagten befindet sich in einem Interview, das der Musikjournalist Michka Assayas mit Bono, dem Frontman von U2, geführt hat:
Assayas: Du bist Sänger und Frontmann einer Band und nicht irgendeiner Band. Du musst doch auch in Versuchung geraten sein, oder? Hast du manchmal ungeachtet aller Entscheidungen [der Treue gegenüber deiner Frau] das Gefühl, dass Liebe inkarniert werden muss? … Vielleicht sollte hier das Wort Groupie fallen.
Bono: Diese Szene haben wir nie gefördert. Wenn du Groupie in dem mir geläufigen Sinne meinst, also ein Tausch von sexuellen Gefälligkeiten gegen Nähe mit der Band … sollte [man] also einen Fan nicht ausnutzen oder sexuell dominieren, aber die Musik ist erotisch … Manchmal … verwandelt sich die erotische Liebe [über die wir singen] in viel höhere und größere Ideen von Liebe und Gott und Familie. Für mich gibt es da einen fließenden Übergang.
Assayas: Ich bin überrascht, wie schnell und selbstverständlich du in deinen Antworten die Bibel zitierst, egal, was die Frage war. Wie kommt das? War es der Religionsunterricht in der Schule? Oder haben dir dein Vater oder deine Mutter eine Bibel geschenkt?
Bono: Ich möchte dir etwas erklären, was hoffentlich dem ganzen Gespräch einen Sinn geben wird… Ich weiß noch, wie ich einmal von einer ausgedehnten Tournee zurückkam. …Dublin zu Weihnachten ist kalt, aber es ist erleuchtet, es ist wie ein Karneval in der Kälte. Heiligabend bin ich in die St.-Patrick’sKathedrale gegangen… Also, gedämmert hatte es mir schon vorher, aber jetzt sackte es so richtig ein: die Weihnachtsgeschichte. Die Idee, dass Gott, wenn es im Universum eine Kraft der Liebe und Logik gibt, danach streben würde, sich zu erklären, ist schon erstaunlich genug. Und dass diese Idee sich ausdrücken würde, indem sie ein in Armut und Stroh geborenes Kind wurde … ein Kind in Scheiße und Stroh … ich dachte: „Wow! Welche Poesie … Nicht zu greifende Liebe und Macht wählt die verwundbarste Gestalt von allen.“ Nicht dass mir die Idee nicht schon früher gekommen wäre, aber ich saß da, Tränen strömten über mein Gesicht, und ich erkannte das Genie, die absolute Genialität, sich einen bestimmten Punkt in der Zeit zu suchen und sich dafür zu entscheiden. Denn das ist genau das, worüber wir vorhin gesprochen haben: Liebe muss eine Form finden, Vertrautheit muss leise daherkommen. Für mich ergibt das einen Sinn. Es ist logisch. Es ist die reine Logik. Die Essenz muss sich manifestieren. Es ist unvermeidlich.
Liebe muss eine Handlung oder etwas Konkretes werden. Es musste passieren. Es muss eine Inkarnation geben. Liebe muss Fleisch werden. Hast du das nicht selbst vorhin behauptet?
Dieser Beitrag gehört zur Serie von Beiträgen zum Thema “Theologie des Leibes” und stammt aus seinem Buch, “God, Sex & Soul” / Foto: Fotolia.