Minus 40 Grad Celsius. Schneewechten, die sich auftürmen. Der „windchill factor“ liegt eher bei -65 Grad. Unterhalb der Gesichtsöffnung des Parkas habe ich meinen Schal strategisch platziert. Und zwar so, dass ich die kalte Luft vor dem Einatmen in die Lunge ein wenig aufwärmen kann. Aber auch so, dass ich noch ausreichend sehen kann. Aufpassen, dass die Augenwimpern nicht zusammenfrieren! Oder die Zunge nicht auf dem Reißverschluss anklebt. Fäustlinge sind der einzige Weg, die Hand warm zu halten, sonst würden die Finger nicht überleben. Besonders, wenn man die Mistgabel tief in das Heu steckt. Einmal. Zweimal. Vierzigmal. Unser Fleckvieh ist immer draußen. Auch bei diesen tiefen Temperaturen. Der Stall steht nach Süden offen. Die Nordwand schützt gegen die Blizzards. Es ist Weihnachten.

Die weitläufige kanadische Prärie (in meiner früheren Heimat) liegt auf ca. 1000 Meter Seehöhe. Zwischen uns und der Arktis gibt es keine Alpen, die Rockies liegen westlich. Von dort kommen die alles schmelzenden Chinooks. Wenn der Wind Richtung Norden dreht, kann die Temperatur innerhalb von Stunden zuweilen von +20 auf -20 Grad mitdrehen … oder eben noch tiefer fallen. Irgendwann wird der Blizzard wieder enden. Dann würde man bei einem knallblauen Himmel aufwachen. Nichts bewegt sich bei -50 Grad. Kein Vogel, kein Auto, kein Mensch. Nicht einmal die Wolken haben da noch Lust, aus ihrem Schlaf-Versteck zu erwachen und am Himmel zu erscheinen. Eine Stille, die man hören kann. Herrliche Schneekristalle funkeln in der Morgensonne am kilometerlangen Stacheldraht. Eine Stille, die ich niemals in dieser Form wieder erlebt habe. Weihnachten. „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht in ihrem Lauf bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab.“ (Weis 18,14-15)

Inmitten der Geräusche dieser Vorweihnachtszeit wünsche ich dir doch sehr das Geschenk dieser Stille. Dass es still werde. Und das Geschenk dieses Wortes. Es hören zu können. Es hören zu dürfen. Das Staunen darüber. Wie respektvoll und unaufdringlich und demütig er vor dem Stall des Menschenherzens erscheint. Und in die Stille hineinruft. Und in die Nacht hineinruft. Egal, wie tief deine Nacht auch sein mag: „Es werde Licht.“ (Gen 1,3) Friede. Freude. Erbarmen. Trost. Kraft. Ermutigung. Heil und Heilung. Erlösung. Freiheit. Meine Identität als des Vaters Sohn, als des Vaters Tochter. Sinn. Erfüllung … tiefes Schweigen. Der König kommt.

Frohe Weihnachten!

P. George