Am Sonntag war der 1. Advent. Uff. Wo kam denn der Advent auf einmal her? Schon wieder ist er da, wieder einmal hat er sich allzu plötzlich in meinem Kalender eingenistet. Eigentlich bin ich ja, trotz allem, in diesem Jahr besser vorbereitet als sonst. Wir hier im Zentrum Johannes Paul II. befinden uns soeben inmitten einer neuen Predigtserie: „Get off the Couch! Was tun in unsicheren Zeiten?“ – und da war der 1. Advent schon seit Wochen am Horizont meiner Überlegungen. Denn gerade die Lesungen aus der Bibel, die am 1. Adventsonntag in der Messe vorgetragen werden, bieten einen Schlüssel für die Frage, die es meines Erachtens mit einer immer größer werdenden Dringlichkeit zu beantworten gilt: Was tun? Was tun angesichts #pray4paris, IS, Flüchtlingsproblematik, anscheinend doch immer näher an Europa herankommende Kriege und politische und gesellschaftliche Instabilität? Was tun, um nicht einfach gleichgültig, ängstlich paralysiert oder auch bequem zuzuschauen? Was können wir, was kann ich tun in unsicheren, stürmischen Zeiten?
Sicherlich gibt es viele Ansätze, viele Möglichkeiten, um diese Frage zu beantworten. Unsere Predigtserie ist nur eine, und es ist eine Antwort eben nicht aus politischer Perspektive, entstammt nicht naturwissenschaftlichen oder sozialwissenschaftlichen Überlegungen, sondern es ist eine Antwort aus dem schlichten und anscheinend so machtlosen Glauben heraus.
Also, zurück zum Schlüssel. Was sagt uns der 1. Advent über die Situation, in der wir heute leben? Welchen Rat gibt er uns? Mein Mitbruder, P. Thiemo Klein, hat heute beim 2. Teil unserer Predigtserie darüber gesprochen. Es geht um eine Entscheidung, eine Entscheidung für die Hoffnung, die wir auch einfach Vertrauen nennen können. Hier kann man seine Predigt anhören (es lohnt sich:) ) Was folgt, sind meine zwei Cents dazu.
Was soll das heißen, „eine Entscheidung für das Vertrauen“ und wie soll das gehen? Oder vielleicht sollten wir erst einmal fragen, was ist denn eigentlich „Vertrauen“?
- Was ist Vertrauen, von was für einem Vertrauen reden wir?
Es geht um eine Sicherheit, dass Gott treu zu seinen Verheißungen steht. Es geht um ein Sich- ihm-Anvertrauen. Völlig. Radikal. Kompromisslos. Es geht darum, sich zu erinnern, was wir im Gabengebet heute hören werden: „alles, was wir haben, kommt von dir…nimm die Gaben, die wir darbringen. Mache sie für uns zum Sakrament der Erlösung…“ Es geht darum, seine Erhabenheit, Größe, Stärke… seine gütige Allmacht anzuerkennen, und damit zugleich anzuerkennen, dass ich Geschöpf bin…und eben nicht der Schöpfer, dass es Situationen in meinem Leben gibt, aus deren Misere ich mich nicht selbst herausholen kann. Es geht deswegen auch um eine Art von Demut. Vertrauen ist nicht so sehr ein Erfassen der Dinge auf Basis von Vernunft oder Verstand, sondern viel mehr eine Herzensangelegenheit, das heißt: eine Entscheidung, und zwar die Entscheidung, mich in die Hände Gottes zu werfen…. in die Hände Gottes eben, nicht in die Arme anderer Sicherheiten, die für mich zu Götzen werden, aber eben nicht Gott sind: gerade am 1. Advent warnt Jesus im Evangelium vor falschen Göttern, auf die wir zuweilen unser Vertrauen gründen oder zu denen wir flüchten, um uns bestimmten Situationen oder Wirklichkeiten erst gar nicht stellen zu müssen. „Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch plötzlich überrascht.“ Der Rausch, die Trunkenheit, die Sorgen des Alltags können die Orte sein, wohin man sich flüchtet, um sich nicht den tieferen Fragen stellen zu müssen, die einen mit den herausfordernden Wirklichkeiten konfrontieren, wo oberflächliches, rein auf das Ego, auf Besitztümer oder andere Menschen basiertes Vertrauen nicht ausreicht. In seiner Predigt hat P. Thiemo daran erinnert, dass dies eine Herausforderung für den Christen gerade in der Adventszeit ist. Advent war traditionell – und ist es für Christen immer noch – die Zeit der Vorbereitung auf das Kommen Jesu, das Feiern seines ersten Kommens, die Vorbereitung für sein zweites. Advent ist sozusagen eine kleine Fastenzeit. Wir haben nichts gegen Glühwein und Kekse, auch nichts gegen Jingle Bells und Stille Nacht – auch wenn vom Sinn her die Weihnachtszeit erst nach Weihnachten beginnt und nicht schon vorher gefeiert werden sollte. Wenn die größte Sorge darin besteht, das richtige Geschenk zu finden oder dies oder jenes zu besorgen, dann hat man den Sinn von Advent verfehlt, dann kann dessen Botschaft nur schwer im Menschenherz aufgehen.
In der 1. Lesung hören wir von einer Situation, die objektiv gesehen beängstigend sein kann. Es geht um eine Verheißung: Jerusalem wird in Sicherheit wohnen… mit anderen Worten, im Moment ist das nicht der Fall. Das Vertrauen liegt in einer Verheißung von Sicherheit, die aber schon jetzt trägt, jetzt Halt gibt, auch inmitten der Unsicherheit und des fehlenden Friedens. So ist es mit dem Vertrauen auf Gott. Unser Vertrauen ist nicht auf diese Welt beschränkt, nach dem Motto: „Ich vertraue mal auf Gott und wir werden immer den Frieden in dieser Stadt erleben“, oder „Ich werde niemals krank werden“, oder „Ich werde sicherlich meine Prüfung bestehen.“ Ja vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Gott ist nicht der Garant dafür, dass ich meine Prüfung schaffe. Nicht einmal dafür, dass es in Wien oder in Salzburg niemals einen terroristischen Anschlag geben wird. Wir können dafür beten. Und gottlob wird es niemals dazu kommen. Das Vertrauen, von dem wir reden, bezieht sich nämlich letztlich auf etwas anderes; nämlich, dass ER mir den Weg zum Himmel, zur ewigen Gemeinschaft mit ihm eröffnet, nicht unbedingt, dass es mir hier immer so ergeht, wie ich es mir erhoffe: schon aber, dass es mir so ergeht, wie ich es letztlich am meisten brauchen werde, um zu ihm zu gelangen. Er erlaubt das Böse nur, um daraus etwas Besseres zu schaffen. das macht das Böse und das Leid nicht gut, aber es macht Gott groß, der sogar die verwerflichsten, furchtbarsten Dinge zum Guten führen kann. Unser Vertrauen lässt sich in diese Bewegung Gottes auf das Gute hin hineinziehen. Und das ist gleich der nächste Punkt.
- Wie sieht Vertrauen aus?
Christliches Vertrauen ist immer mit der Nächstenliebe, mit der Sorge um den Bedürftigen, um den Armen, um den Notleidenden, um denjenigen, der meiner Liebe bedarf, verbunden. Dass Vertrauen etwas mit Nächstenliebe zu tun hat, mag uns vielleicht überraschen, aber ist es so. Denn Vertrauen auf Gott heißt nicht, dass uns die Gegenwart gleichgültig wäre, nach dem Motto: „Es ist nur wichtig, in den Himmel zu kommen; das, was hier unten passiert, ist sowieso alles egal.“ Für einen Christen ist dem nicht so. Denn sich Zeit für den Nächsten zu nehmen, ist ja zugleich die Aussage, dass ich nicht alles aus dem Hier und Jetzt herausholen muss. Nur wenn es kein Morgen gibt, wenn wir und das ganze Universum einmal im Grab landen werden – und danach kommt nichts mehr -, dann muss ich aus dem Jetzt alles herausholen, was geht. Der Christ weiß aber, dieser Moment, dieser Augenblick ist wichtig, weil der eigene Umgang mit dem Jetzt Auswirkungen für die Ewigkeit hat.
Christen haben daher Zeit, denn es gibt eine Zukunft, man muss nicht alles aus dem JETZT herausquetschen. Die Unruhe ist ein „Zeichen einer Welt, die die Auferstehung nicht kennt“- sagte einmal Benedikt XVI. Der Christ, der wirklich den Weg mit dem Herrn geht, besitzt eine gewisse Unbefangenheit, eine Gelassenheit, auch inmitten von Tumult und sogar von Verfolgung, weil er weiß, das Leben ist mehr als das Leben.
Im Alten Testament gibt es den Bericht vom Propheten Jeremia, der zur Verwunderung aller noch kurz vor der Zerstörung Jerusalems und der Verschleppung ihrer Bewohner im Vertrauen auf die Verheißungen Jahwes einen Acker kauft. So ähnlich geht es dem Christ. Er vergeht nicht aus Angst vor weltlicher Gefahr, gerade weil sein Halt nicht von dieser Welt ist, sondern auf Gott beruht, weil er, Gott, sein Fels, seine Burg, sein Alles ist. Er sieht es als seinen Auftrag, die Liebe Gottes in dieser Welt zu vergegenwärtigen und im Vertrauen auf die Verheißungen Gottes bleibt er dieser Aufgabe treu, gerade auch dann, wenn es schwierig wird. Die Geschichte des Römischen Reiches bezeugt, dass der Hauptfaktor für die Bekehrung der Heiden und die Beendigung der brutalen Verfolgung der Christen ihre Feindesliebe war. Genau das ist der Inhalt unserer 2. Lesung von heute: (1 Thess 3,12- 4,2)… „der Herr lasse euch wachsen und reich werden in der LIEBE ZUEINANDER und zu ALLEN,…damit euer Herz gefestigt wird…wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen kommt. …werdet noch vollkommener!“ – Das ist der radikale Unterschied zwischen einem „rottet die Übeltäter aus, bringt sie alle um“ – des IS, die von apokalyptischen Erzählungen der Vorbereitung für den Endkampf lebt…. und einem Lebensstil der Liebe bis hin zur Feindesliebe, bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Das ist Christsein. Das ist unsere Entscheidung. Das ist unsere Antwort auf die Frage, wie wir uns in unsicheren Zeiten verhalten sollen.
- Ein Letztes: wie wächst Vertrauen? Woher kommt dessen Kraft?
Es geht um das Gebet. Der Gebet ist in sich schon ein Akt des Vertrauens, ein Akt des Glaubens, dass es jemanden gibt, der mein Leben in seiner Hand hat, jemanden, der, wie Benedikt XVI. einmal sagte, „die Fähigkeit, die Geduld und die Macht hat, unser Gebet nicht nur zu hören sondern auch zu erhören.“
Wir treffen im Antwortpsalm vom 1. Advent folgenden Satz aus dem Psalm 25 vor: „Zu dir erhebe ich meine Seele„. Der Betende macht immer wieder die Erfahrung, dass ihm gerade in und durch das Gebet Kraft, Stärke, Frieden, Vertrauen zuteilwerden. Ein Bereich, wo das zutrifft, ist im Bereich unserer Entscheidungen. Versuchen Sie doch einmal, wenn Sie vor einer Entscheidung stehen, zuerst kurz in sich zu gehen, den eigenen Geist zum Herrn zu erheben, ihn um Hilfe anzuflehen, um Licht, um Kraft. Er hilft wirklich! Auch in den kleinen Dingen des Alltags. Die „kleinen“ Dinge sind für den Christen nicht unwichtig, sie zeigen ihm vielmehr, wie ernst Gott ihn nimmt. Es geschieht immer wieder, dass durch die vielen kleinen Dinge Großes vor Gott entstehen kann. „Die Heiligkeit besteht nicht darin, Außergewöhnliches zu tun, sondern das Gewöhnliche auf außergewöhnliche Weise“. Gerade durch das Gebet erfahren wir, dass Gott das Kleine nicht gering schätzt und daher auch mich, der ich mir doch inmitten dieses Universums, ja schon inmitten dieser Stadt, so unbedeutend vorkomme… hat Gott überhaupt Zeit, sich um mich zu kümmern? Im Gebet erfahre ich, dass er es tut, dass es da jemanden gibt, für den ich wichtig bin und der meinem Leben nicht uninteressiert zuschaut. Im Gebet wächst Vertrauen, Geborgenheit, Gelassenheit, Friede. Es ist durch das Gebet, dass wir an Vertrautheit mit dem Herrn gewinnen, wo wir in der Gewissheit wachsen: er lässt uns nicht im Stich, wo wir an Weitsicht gewinnen und Jesu Rat ernst zu nehmen lernen: Die Menschen werden vor Angst vergehen….wenn all das geschieht, RICHTET EUCH AUF und ERHEBT EURE HÄUPTER, denn eure ERLÖSUNG IST NAHE.
Die Messe vom 1. Adventssonntag drückt das so aus: „Zeige uns den rechten Weg durch diese vergängliche Welt und lenke unseren Blick auf das Unvergängliche, damit wir in allem dein Reich suchen. (Schlussgebet)“. Der Eröffnungspsalm zitiert Psalm 25, 1-3. „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, dir vertraue ich. Lass mich nicht scheitern,…denn niemand, der auf dich hofft, wird zuschanden.“
FRAGEBOGEN für diese Woche:
+ Worin oder in wem suche ich meine Sicherheit? „in den Sorgen des Alltags“, im „Rausch“ in der „Trunkenheit“? Flüchte ich vor der Realität, der Wirklichkeit nicht nur unserer derzeitigen gesellschaftlichen Lage, sondern ist es vielleicht sogar überhaupt eine Tendenz in mir, mich den Dingen nicht zu stellen, weil ich Angst habe?, zu wenig Wertschätzung mir selbst gegenüber, usw.?
+ Wofür überlasse ich Gott durch mein Vertrauen die Verantwortung? Dass er mir bei meiner Prüfung hilft, meine Gesundheit bewahrt, oder…? Oder bedeutet mein Vertrauen auf Gott, dass ich mich ihm zur Verfügung stelle? Ihn alles mit mir machen lasse, wie Maria dem Engel geantwortet hat: „Mir geschehe nach deinem Wort?“ Entsteht diese Einstellung der Verfügbarkeit aus einem Vertrauen heraus, weil ich mit dem Herzen weiß, dass er nur mein Gutes will?
+ Ist mein Vertrauen auf diese Welt beschränkt oder bezieht sie sich auf meine Beziehung mit Gott über den Tod hinaus? Veranlasst mich dieses Bewusstsein, mich für meinen Nächsten einzusetzen? Gibt sie mir Sicherheit, Geborgenheit, Halt?
+ Wie sieht es aus mit meinem Gebet? Habe ich ein geordnetes Gebetsleben? Wenn ja, spreche ich mit meinem geistlichen Begleiter über das Gebet? Vertraue ich wirklich darauf, dass Gott nicht nur hört, sondern auch die Macht, die Fähigkeit, den Willen und die Geduld hat, mein Gebet nicht nur zu hören sondern auch zu erhören? Bitte ich um Hilfe vor Entscheidungen, auch besonderes vor den kleinen? Vertraue ich auf Gott, dass er mir hilft?
+ Verstehe ich, dass Vertrauen mehr eine Herzensangelegenheit als eine Vernunftsache ist? Dass es vor allem darum geht, sich Gott in die Arme zu werfen?
+ Wie möchte ich den Advent verbringen? Was könnte und werde ich praktisch tun, um dem Gebet mehr Zeit einzuräumen? Was konkret, wann werde ich es tun? Auf was möchte ich verzichten, um mich für das Kommen des Herrn vorzubereiten, mein Herz frei zu machen von alledem, was es fesselt? Zu welchen Veranstaltungen werde ich nein sagen, zu welchen ja, um nicht völlig in Stress zu geraten, um Zeit für Stille und Gebet einplanen zu können?
+ Wie werde ich in der Adventszeit mein Vertrauen üben, indem ich meinen Nächsten, vor allem den Bedürftigen, Zeit schenke?
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