10. Juli. (Tag 4&5)

Gestern am Abend hat der Regen wieder begonnen. In der Nacht hat es dann so richtig geschüttet, und heute regnet es schon den ganzen Tag. Eine von uns hat am Abend dann auch noch Bärspray abbekommen, Gott sei Dank geht es ihr wieder besser. Wenigstens sind wir aus dem Busch und im alpinen Bereich. Endlich. Nur, es liegen 40 km exponierte Granitbergkämme vor uns, die so richtig schön rutschig werden, wenn sie nass sind. Aber das ist der einzige Weg weiter. Wir sind schon einen Tag im Rückstand und jetzt sieht es auch noch so aus, als müssen wir hier den ganzen Tag bleiben… ich komme gerade von der Besprechung im Leitungsteam zurück. Die Entscheidung ist gefallen: wir legen einen Pausentag ein. Es wäre gefährlich und unverantwortlich, unter diesen Bedingungen „the Ridges“ zu versuchen. Wir campen also etwa 200hm unter der „Ridge“ an einem namenlosen See, den wir „Rainy Lake“ getauft haben. Es liegt noch etwas Schnee am Ufer des Sees. Und es scheint, als hätten sich die Himmelsschleusen über uns geöffnet: es regnet volle Kanne weiter. Beatrice bemerkt, dass bei ihren Sportwettkämpfen der vierte Tag immer ein Pausentag ist. Nun gut, er ist auch für uns zum Pausen- und Reflexionstag geworden.

Das Gute. Letztlich ist nur einer vollends gut: Gott. Daran erinnert uns Jesus in Mk. 10. Er ist der Maßstab dessen, was es heißt, „gut“ zu sein. Eigentlich spannend, dass wir einen Maßstab haben. Und der bin nicht einfach ich selbst, auch nicht die Gesellschaft. Ich finde in mir etwas, das mich völlig in die Verantwortung nimmt und mir sagt: das ist gut, das ist schlecht, ein „Etwas“, das ich nicht wegrationalisieren kann. Es steht über mir und in mir als übergeordnete Instanz. Eine Entscheidung, die Ridges unter diesen Umständen zu gehen, wäre nicht nur eine Verneinung der Wirklichkeit und dumm, sondern auch noch unverantwortlich und moralisch verwerflich, weil ich mich selbst und andere in Gefahr gebracht hätte. Es wäre nicht nur schlecht, wie manchmal ein Spiel oder ein Bier „schlecht“ sein können, sondern es wäre in einem viel tieferen Sinne schlecht, weil es ein Missbrauch der Freiheit wäre, eine bewusste Entscheidung, etwas zu tun, von man genau weiß, dass man es nicht tun sollte. Um es klar zu sagen, es wäre „böse“. Ich kann mein Gewissen verdrehen, gewissermaßen sogar pervertieren, sodass es manches gutheißt, was eigentlich schlecht ist und andersherum, ganz nach dem Motto, „wenn du nicht tust, was du denkst, dann denkst du bald so, wie du tust“. Völlig zerstören lässt sich das Gewissen aber nicht. Das habe ich in Situationen gesehen, wo jemand zu mir gekommen ist und beteuert hat, dass er sich nicht schlecht fühlt, wenn er dies oder jenes tut. Worauf ich immer versuche, respektvoll zu fragen, warum er es mir dann überhaupt erzählt, er müsse sich ja nicht vor mir entschuldigen und mir nichts beweisen. Und ob es nicht sinnvoll wäre, doch auf diese tiefere Stimme und diese tiefere Sehnsucht zu hören, die er in seinem Inneren vorfindet. Das Gute ist nämlich dem Menschen nicht einfach von außen aufgepfropft, sondern innere Richtschnur seines Wesens. Als Abbild Gottes ist er Abbild des Guten. Deshalb kann er das Gute nicht in der Praxis verneinen, ohne sich selbst dabei ein wenig aufzugeben und zu zerstören. Aber weil Gut und Böse mit Freiheit zu tun haben, kann der Mensch nur in der Freiheit das werden, was seiner tiefsten Berufung entspricht. Weil er frei ist, kann er Abbild Gottes werden, Abbild des Guten, aber eben auch das Gegenteil. Das ist seine Größe, aber auch seine Tragik. Er kann Mutter Teresa von Kalkutta heißen, aber auch Adolf Hitler, und so ziemlich alles dazwischen. Die Entscheidung liegt bei ihm. Die Wirklichkeit dieser Wahlfreiheit ist mir während unseres Pausenstages neu bewusst geworden.

Mittlerweile hat es fünf Bläser gebraucht, um in dieser Nässe ein Feuer zum Brennen zu bringen. Einige der Burschen und eines der Mädls haben dafür einen abgestorbenen Baum gefällt, der Regen hat aufgehört und wir können unsere Sachen trocknen. Nur noch die Notfalldecke hat mich vor der Pfütze in unserem Zelt gerettet.

Tag 4 – Einige Eindrücke

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Tag 5 – Es regnet, oder wie die Kanadier sagen: „It`s raining cats and dogs“

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