Eheliche Liebe findet im möglichen Kind ein gigantisches Fundament ihrer selbst. Was kann man nämlich dem anderen in der ehelichen Liebe wirklich schenken? Wie kann man sich dem anderen zutiefst geben? Oder andersherum: Was GIBT, welche Gabe schenkt man dem anderen im Sexualakt wirklich? Man hilft dem anderen sich zu verwirklichen als Mutter oder als Vater. Man ermöglicht eine neue Dimension im Dasein des anderen, die ohne diese Gabe unmöglich wäre. Man hilft dem anderen sich zu entdecken, das was man ist: Vater, Mutter – und eben nicht nur biologisch gesehen, sondern alles, was eine dadurch entstehende Gemeinschaft, die wir Familie nennen, bedeutet.

Das gemeinsame Kind sagt aus, dass man sich wirklich seinem Partner gegenüber verpflichten will, wirklich auf sie/ihn eingehen will in einer fast unbeschreiblich Tiefe. Es sagt aus, dass man die Verantwortung für den anderen übernehmen will, dass man sich dem anderen gegenüber verpflichten will, auf den anderen eingehen will, an des anderen Seite stehen will auch über den jetzigen Moment der Intimität hinaus, dass man mit den anderen nicht nur eine Familie haben, sondern eine Familie sein will, eins SEIN will – ein gemeinsames Leben, gemeinsame Träume, gemeinsames Leid, gemeinsam die Kinder erziehen, gemeinsam durch das Leben kämpfen, gemeinsam, für uns Christen, den Weg zu unserem letzten Ziel gehen will. All das sagt das Kind, denn das Kind sagt, dieser Moment der Intimität deutet über sich selbst hinaus, richtet sich nicht nur auf sich selbst, sondern auf die Zukunft aus, bis der Tod uns scheidet. Das Kind sagt ein Ja zur Verantwortung für die gemeinsam geschenkte Liebe und Intimität, Verantwortung für den anderen übernehmen zu wollen, sich nicht zu flüchten, im vollen Bewusstsein, was dieser intime Akt der Sexualität eigentlich heißt, und ein dickes fettes großes JA zu dem sagen zu wollen und es wirklich zu tun. Das Kind bestätigt ein GEMEINSAMES Projekt, auf das man sich gemeinsam einlässt. Sterilisiert man den Sexualakt, versucht man die Verantwortung zu sterilisieren, und damit wird die Liebe zum Fenster hinausgeworfen. Man will den Genuss, den ich jetzt mit dem anderen erfahre, aber eigentlich will ich den anderen nicht. Ich will das, was der andere mir gibt, aber ich will nicht den anderen und schon gar nicht das Kind… Man will es nicht, man will sich nicht um die Folgen der eigenen Handlung kümmern müssen. Das hat auch andere Namen: Unreife, Egoismus, Selbstzentriertheit. Mit Liebe hat das wenig bis nichts zu tun.

Aber wie anders ist echte Liebe! Echte Liebe WILL Verantwortung, sie SUCHT Verantwortung. Denn Verantwortung heißt, dass man in Beziehung getreten ist. Verantwortung heißt, dass man diese Beziehung will, dass ich DICH will, DEIN Wohl, und dass man einsieht, dass es nicht der Liebe entspräche, sich dieser Verantwortung dir gegenüber zu entziehen. Du bist mir so wichtig geworden, dass ich dich nicht mehr in meinen Leben vermissen will und ich will offen dafür sein, dir die Frucht unserer Liebe zu schenken und dir dadurch die Gelegenheit geben, Vater oder Mutter zu werden und dadurch wirklich mein Mann, meine Frau zu sein.

Gerade die Fruchtbarkeit erlaubt es, in die Intimsphäre des anderen hineinzutreten – und dass der andere die eigene aufreißt. Die Fruchtbarkeit ist ja kein Unfall der Natur, die leider mit der Sexualität verbunden ist und deswegen „wegmediziniert“ werden muss. Die Fruchtbarkeit lässt einem am Leben des anderen teilhaben und den anderen an dem eigenen in einer Art und Weise, die für jeden Außenseiter immer völlig undurchsichtbar sein wird. Sie ist gerade das, was sexueller Liebe ihre Tiefe schenkt. Die Fruchtbarkeit ist Offenbarung der Intimität im gemeinsamen Kind. Die Fruchtbarkeit nicht zu wollen, ist etwas vorzuenthalten, ist sich nicht ganz zu öffnen, nicht ganz zu geben. Der andere darf an der Oberfläche bleiben, aber Teil des eigenen Selbst wird der andere nicht: „Ich will dich, aber nicht ganz. Ich will dich, aber nicht wirklich mein Leben mit dir teilen.“

Natürlich spricht man hier nicht von der Beziehung zwischen den beiden als solches, sondern von der Körpersprache des Aktes. Aber dieser Akt – der Ikone sein sollte für das, was Liebe ist, Offenbarung des Wesens der Liebe – hat seinen Einfluss auf die Beziehung.

Ohne mögliche Fruchtbarkeit wäre das Zusammenkommen nur ein Nachjagen nach Vergnügen, nicht ein Nachjagen danach, den anderen zu bestätigen, den anderen zutiefst glücklich zu machen. Ohne Offenheit für die Frau/den Mann in seiner ganzen Dimension seiner Sexualität wäre die Ausübung der Sexualität ein Stehenbleibenwollen in der Ekstase, in der Trunkenheit des Augenblicks. Ich sage dir: ich will die Ekstase, aber um dich geht es hier überhaupt nicht. Ich werde blind gegenüber dir, ich sehe DICH gar nicht mehr. Natürlich sehe ich dich, aber nur noch als ein Objekt des Vergnügens, als eine notwendige Zubringerin meines Vergnügens. Es geht nicht um dich, es geht mir um das, was du mir gibst.

„Ja, Liebe IST Ekstase“, sagt der Papst. „Aber nicht eines Augenblicks.“

Was passiert denn zum Beispiel, wenn keine Kinder mehr möglich sind, wenn beide zu alt sind? Fruchtbarkeit als Fundament der Liebe will sagen, dass das gemeinsame Projekt des Kindes eine Ikone für die höhere entstandene Gemeinschaft ist. Mit anderen Worten: Im Einswerden geht es nicht nur um das Zusammenkommen von zwei Monaden (Einheiten), zwei Individuen, sondern es entsteht eine höhere Einheit, ein WIR, und davon ist das EINE Kind eine Ikone.  Das GEMEINSAME Projekt des Kindes weist darauf hin, dass es um viel mehr geht, dass viel mehr entsteht im Ein-Fleisch-Werden. Das mögliche gemeinsame Kind deutet hin auf die Kommunion, die wirkliche beidseitige Annahme des anderen. Ja, das Ziel der Ehe ist nicht nur die Fruchtbarkeit, sondern die Gemeinschaft. Aber ohne die Annahme der möglichen Fruchtbarkeit ist die Gemeinschaft der Ehe eine Farce.

(Bild ist ein gratis Bild von Istock)