Der Name und seine Bedeutung
Eine christliche Perspektive will noch eine weitere Dimension der Einsamkeit anbieten. Der Mensch findet seine wahre Einsamkeit, sein wahres Selbst, durch die Entdeckung seines Namens in der Gemeinschaft wieder. Wie das? In der Bibel hat das Wort „Name“ eine ganz besondere Gewichtung. Die damalige griechische Welt war in der Sprache sehr abstrakt, konzeptuell-begrifflich ausgerichtet. Aus der griechischen Welt werden uns die großen Namen der antiken Philosophen überliefert, Platon, Aristoteles, aber eben auch Heraklit und Parmenides, Sokrates, Epikur usw. Von ihnen kommen Begriffe wie „Wesen“, „Metaphysik“, „Natur“, „Ethik“, „das Sein“ usw. Das hebräisch-semitische Volk hingegen, war viel mehr im Konkreten verwurzelt. Es war ja auch letztendlich ein nomadisches Volk gewesen. Das schlug sich in der Sprache nieder. Abstrakte Begriffe fehlen fast komplett. Öfters wurden auch konkrete Begriffe benutzt, um abstrakte, nicht greifbare Wirklichkeiten zu benennen. Ein Beispiel hierfür ist das „Herz“ als Beschreibung der Intimsphäre des Menschen. Das Wort „Name“ war ein Begriff, durch den man den ganzen Menschen beschreiben wollte, mit allem, was ihn ausmacht. Den Namen von jemandem zu kennen, war gleichbedeutend damit, ihn selbst zu kennen. Es gab im religiös-kulturellen Umfeld der Bibel einen enormen Respekt für den Namen. Das spiegelte sich vor allem im Namen Gottes wider. Dieser Name war so heilig, dass er nicht einmal ausgesprochen werden durfte. Christliche Spiritualität besagt, dass Gott dem Menschen durch die Erlösung helfen will, durch die Gemeinschaft seinen Namen wieder zu finden. Das heißt, er will ihm helfen, aus der Selbstisolierung und der Entfremdung von sich selbst, von den anderen und von Gott herauszutreten.
Selbstfindung, aber wie?
Die Verheißungen von Genesis bis hin zur Geheimen Offenbarung (das letzte Buch der christlichen Bibel) deuten alle auf die Erfüllung der Sehnsucht nach Selbstfindung durch die Findung des anderen, und letztendlich, durch die Findung des anderen, Gott, hin. In der Geheimen Offenbarung findet man seinen eigenen Namen durch die Findung des Namens Gottes. Gott schreibt seinen eigenen Namen auf den Menschen, das heißt, der Mensch ist Abbild Gottes und im Finden des Abbildes findet der Mensch sich selbst: „Ich (Jesus Christus) werde auf ihn den Namen meines Gottes schreiben… und ich werde auf ihn auch meinen neuen Namen schreiben“ (Offb. 3,12). Man findet die eigene Identität, die eigene Einsamkeit, durch die Gemeinschaft mit Gott durch Jesus Christus.
Die Befremdung der Einsamkeit
Niemand kennt seinen Namen in diesem Sinne wirklich voll und ganz. „Hannelore“, „Hans“ – das sagt man so einfach. Aber, nehmen wir an, Hannelore und Hans wären zwei mir bekannte Menschen. Kann ich jemals die ganze Tiefe und Fülle von dem ausschöpfen, was diese beiden sind? Kann ich wirklich sagen, ich kenne sie voll und ganz? Interessant ist aber, dass sie nicht einmal von sich selbst sagen können, dass sie sich ganz und gar kennen. Man bleibt sich selbst gewissermaßen ein Geheimnis. Nur Gott kennt die Namen wirklich, das heißt, die ganzen Tiefen unseres Daseins. Die christliche Spiritualität der Einsamkeit besagt, dass die Entfremdung, die Einsamkeit in ihrem negativen Sinn, nicht das letzte Wort über den Menschen ist. Sie besagt, dass der Mensch sich völlig und ganz nur dann finden wird, wenn er sich in Gott wiederfindet: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“ (1 Kor 13,12). Trotz der ganzen Tragik des Selbstausschlusses des Menschen, kann man schon in Genesis ein Wort der Hoffnung hören. „Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (Gen 3,15). Es ist die Verheißung, dass die Schlange – die Verführung, auf die der Mensch sich eingelassen hat – nicht das letzte Wort haben wird. Das Auflösen der Entfremdung bleibt aber nicht nur eine Verheißung, eine Vertröstung auf eine Zeit „nach dem Tod“, sondern kann schon jetzt beginnen, durch die „Erlösung des Herzens“. Um die letzten #TheologiedesLeibes Blogbeiträge zusammenzufassen:
„Die eigene Einsamkeit geht dem Menschen besonders durch die Erfahrung des unveräußerlichen Charakters seiner Verantwortung auf, dadurch, dass er jede Manipulation als Verletzung der Intimsphäre ansieht sowie durch die Erfahrung, dass man als Mensch nie Mittel zum Zweck sein darf, worin gerade die Grenzüberschreitung besteht, die begangen wird, wenn man benutzt wird. Schließlich findet „Einsamkeit“ ihre volle Bedeutung im eschatologischen Sinn in der „Identität mit sich selbst, wenn Gott seinen Namen auf uns schreibt.“
Dieser Beitrag gehört zur Serie von Beiträgen zum Thema “Theologie des Leibes” und stammt aus meinem Buch, “God, Sex & Soul”.
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