♥ Warum Sehnsucht?
Die drei Kriterien, die bei der Berufungserkennung helfen können, sind die Eignung, der Lebenslauf und die Sehnsucht. In den folgenden Blogbeiträgen wird es um die Sehnsucht gehen.
In vielen kirchlichen Dokumenten wird nicht so sehr von Sehnsucht, sondern von Absicht oder Intention gesprochen. Der Grund dafür liegt meines Erachtens vor allem darin, dass man klarstellen will, dass die Berufungsfindung nicht auf einer oberflächlichen und unbeständigen Gefühlsebene zu suchen, sondern vor allem auf der Herzensebene voranzutreiben sei, wo Herz bedeutet: „Das Zuhause, in dem ich bin und in dem ich wohne (in semitischer oder biblischer Sprechweise: wo ich absteige). Es ist unsere verborgene Mitte, die weder unsere Vernunft noch andere Menschen erfassen können. Einzig der Geist Gottes kann es ergründen und erkennen. Im Innersten unseres Strebens ist das Herz Ort der Entscheidung. Es ist Ort der Wahrheit, wo wir zwischen Leben und Tod wählen. Es ist Ort der Begegnung, da wir wir nach dem Bilde Gottes in Beziehung leben. Das Herz ist Ort des Bundes.“
Ich spreche hier von Sehnsucht, weil ich in diesem Begriff eine bessere Möglichkeit sehe, das eigene Wahrnehmen der Berufung sprachlich zu erfassen. Außerdem scheint dieser Begriff immer mehr an Einfluss zu gewinnen, wenn es darum geht, zu beschreiben, wie Gottes Wirken im Menschen festzustellen ist.
♥ Definition von Sehnsucht
Der Duden definiert die Sehnsucht als ein „inniges, schmerzliches Verlangen nach jemandem, etwas [Entbehrtem, Fernem].“ Diese Definition passt sehr gut, wenn wir von der Sehnsucht in Bezug auf die Berufung sprechen.
Sehnsucht ist innig. Denn die Berufung ist ja nichts anderes als die leise, stille und geheimnisvolle Gegenwart des Herrn im Inneren, der dich in seine Nähe ruft, um ganz für ihn da zu sein. Dieser Ruf wird als einer der intimsten und innigsten Erfahrungen des Menschen empfunden. Denn Gott spricht hier direkt im Herzen, dort, wo er wohnt. Er ist inniger mit uns vertraut als wir selbst. Wir werden von ihm regelrecht umfangen, wir existieren mehr in ihm als er in uns, „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Die Sehnsucht ist sozusagen die Reaktion unseres Herzens auf den Ruf Gottes. Dort, wo seine an sich ziehende Gegenwart empfunden wird, entsteht Sehnsucht: im Innersten des Herzens. Dort, wo niemand Zugang hat außer mir selbst, dort, wo wir allein mit Gott stehen, in unserer Intimsphäre. Der Herr verweilt nicht nur vor der Tür, er schaut uns nicht nur in die Augen, er berührt uns von innen, aus dem Innersten unseres Herzens.
Sehnsucht schmerzt. Es ist der Schmerz eines Liebenden, der mit der Geliebten vereint sein will. Es tut weh in dem Sinn, dass es uns nicht ruhig werden lässt, bis sich die Sehnsucht erfüllt. Es ist der Seelenschmerz eines vom Pfeil der Liebe getroffenen Herzens. Und je bewusster es uns wird, wer da geschossen hat und wie groß die Wunde ist, umso dringlicher wird der Ruf empfunden.
Sehnsucht ist Verlangen. Es ist keine momentane Laune, keine beliebige Emotion. Es ist ein starkes inneres Bedürfnis. Das heißt, es kommt aus der eigenen Tiefe des Herzens, es wird nicht von außen auferlegt. Deswegen kann man diese Sehnsucht nicht einfach nach eigenem Gutdünken wieder ablegen.
Sehnsucht ist ausgerichtet auf jemanden oder auf etwas Fernes oder Entbehrtes. Das Entbehrte ist Gott selbst. Der Berufungsweg geht auf ihn zu und führt daher ins Innere, zur Begegnung mit ihm, der im Inneren ruft. Das ist ein Weg der immer inniger werdenden Identifizierung mit ihm und seinem Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam, was sich in einem Leben der Hingabe an Gott und an die Mitmenschen ausdrückt. Die Sehnsucht ist das Echo des Rufes Gottes in unseren Herzen, das uns letztendlich zu unserer Berufung hinzieht. Allerdings besteht die Sehnsucht nicht „so sehr in einem inneren Ansporn des Gewissens oder in einem Gefühl, welches nicht immer vorhanden ist, sondern (schlägt sich) vor allem in der richtigen Absicht und Intention (nieder)“, in einem stetigen Willen, Gott dort dienen zu wollen, wo er hinruft.
♥ Gliederung der Gedanken über die Sehnsucht
In den nächsten Blogbeiträgen werden wir wichtige Aspekte der Sehnsucht selbst aufzeigen, sie aber auch und vor allem in Bezug auf die Berufung beleuchten: Hier eine kurze übersicht:
- Es gibt unterschiedliche Sehnsüchte. Wo kann man die Sehnsucht nach der Berufung einordnen und wie ist sie zu verstehen?
- Sehnsucht nach der Ehe – Sehnsucht nach dem gottgeweihten Leben. Worin besteht der Unterschied?
- Was beinhaltet die Sehnsucht nach dem gottgeweihten Leben, wonach sehnt man sich?
- Gottgeweihtes Leben und Priesterberufung – wodurch unterscheiden sich diese Sehnsüchte?
- Wie kann ich Sehnsucht erfahren?
- Der Auslöser oder: Wie entsteht Sehnsucht?
Diese Serie “Wohin? Finde deine Berufung!” entstammt dem Buch von P. George Elsbett LC mit dem gleichnamigen Titel, mehr auf www.wohinberufung.com
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