Karfreitag, den 2.4.2021

Liebe Mama, lieber Papa,

es ist Karfreitag. Mama, dein Geburtstag. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was gerade dieser Karfreitag für mich bedeutet. Es ist das Geheimnis von der Geburt, vom Tod. Und damit des menschlichen Lebens überhaupt. Es ist zugleich das Geheimnis des Glaubens. Vom Wort, das nach dem Tod gesprochen wird. Geheimnis der Auferstehung. Nur, die sieht man am Karfreitag nicht. Maria hält ihren toten Sohn in den Armen. Und weint. Stabat mater dolorosa, iuxta crucem lacrimosa, dum pendebat filium. Die trauernde Mutter stand, weinend am Fuß des Kreuzes, während ihr Sohn dort hing.

Schwer zu glauben. Vor einem Jahr stand die Welt kopf. Wir wussten nicht, wie es weitergehen wird. In Österreich kalkulierte man damit, dass irgendwann Mitte oder Ende April die Kapazitätsgrenze in den Intensivstationen erreicht sein würde. Dann hätten wir ein Problem gehabt. Ich machte mir auch echt Sorgen um euch. Was hätte ich getan, wenn einer von euch erkrankt wäre? Über den Atlantik schwimmen?

Am liebsten würde ich die Bilder vom letzten Jahr aus meiner Erinnerung verdrängen. Es wurde für uns in der Gemeinschaft zunehmend schwieriger, mit der Situation umzugehen. Es ging ans Eingemachte. Um Eucharistie. Um Beichte. Um die Kranken zu besuchen und den Sterbenden beizustehen. Das alles wurde uns schlagartig verwehrt. Unter anderen Umständen hätte es einen Aufschrei gegeben. Hochzeiten wurden verlegt. Erwachsenentaufen aufgeschoben. Erstkommunionfeiern ausgesetzt. Die Kirchentüren geschlossen. Weltweit. Das hatte nicht einmal der Kommunismus geschafft, flächendeckend nicht einmal in der Sowjetunion selbst. Kaiser Diokletian war der Letzte, der das für die damals (um 303 nach Christus) bekannte Welt durchsetzen konnte.

Wir wurden Priester, um uns vom Herrn in den Dienst nehmen zu lassen. Und dazu gehörten sehr wohl gerade die Eucharistiefeier, die Taufe, das Spenden des Ehesakraments, die Beichte, die Krankensalbung. Das alles sollte nicht mehr möglich sein? In der Gemeinschaft wurden die Diskussionen zunehmend heftiger. Intensive Gespräche über den besten Weg. Meistens wurden die Debatten nicht persönlich, auch wenn ab und zu jemand übers Ziel hinausgeschossen hatte und um Verzeihung bitten musste. Es ging uns eher darum, als Gemeinschaft tragfähige Lösungen zu finden. Und das setzt voraus, dass jeder sagen darf, was er im Herzen hat, ohne dass er deswegen als Person bewertet oder verurteilt wird. Das setzt wiederum ein Grundvertrauen voraus. Nur, selbst dieses Grundvertrauen wurde durch diese ganze Situation hart auf die Probe gestellt.

Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem die Krise in die Nähe rückte. Die Frau eines langjährigen Wohltäters rief ganz verzweifelt an. Ihr 84-jähriger Mann hatte schon mehr als eine Woche sehr hohes Fieber. Sie konnte sich nicht dazu durchringen, die Rettung anzurufen. Die Angst, ihren Mann niemals wiedersehen zu können, paralysierte sie. Doch ihr blieb keine andere Wahl mehr. Sie bat mich, noch schnell zu kommen, sodass er wenigstens mit der Krankensalbung versehen wäre. Ich rief bei der Diözese an. Eine bekannte Stimme antwortete: „Ich durfte heute meinen Bruder nicht begraben.“ Mir kamen die Tränen. Oh Gott! Das kann doch nicht wahr sein! Szenen aus einem Horrorfilm, der abschnittsweise speziell für Priester gedreht wurde. Nur, es war kein Film!

Leider realisierten viele die ganze Tragweite des Problems erst spät. Zu spät. Eines Tages bat mich eine gottgeweihte Schwester unserer Gemeinschaft in Spanien um ein Gebet. Man habe soeben eine Eishalle in eine Leichenhalle umgewandelt. Die Eltern eines Bekannten wurden dort ohne viel Aufhebens eingeäschert, die Kinder im Nachhinein informiert. Eine „ganz normale Grippewelle“ eben. Ein paar Stunden später wurde ich am Telefon aufgeklärt, dass das mit dem Virus doch alles nur eine Konspiration der Staaten sei, um unsere Freiheiten einzuschränken. Realitätsverlust vom Feinsten. Ich war sprachlos. Einen Tag später starb eine 21-Jährige, dieses Mal ohne Vorerkrankung. Kurz danach änderten sogar die Brasilianer ihre Herangehensweise radikal. Von „lass mal alle krank werden, dann haben wir es durch“ zu „niemand darf das Haus verlassen“. Massengräber hatten real werden lassen, was exponentielles Wachstum wirklich bedeuten kann.

Im vergangenen Jahr hat sich vieles verändert. Wir haben vieles neu und schätzen gelernt. Die Globalisierung ist lokal geworden. Wir sind aufmerksamer unseren Nachbarn gegenüber. Wir haben das Wort „Danke“ neu lernen müssen. Dankbarkeit für so vieles, was wir als selbstverständlich angesehen hatten. Wir haben einen neuen Sinn für Zeit gewonnen. Wesentliches wurde schnell unwesentlich. Unwesentliches plötzlich wesentlich. Es ging einiges mehr über „Zoom“ als wir dachten. Und zugleich viel weniger als wir uns erhofften. Vielleicht sind wir etwas menschlicher geworden. Die Krise hat uns schließlich als Menschheit näher zusammenrücken lassen. Und auch wenn manche die Krise schamlos für sich selbst auszunutzen versuchten, im Großen und Ganzen wurden wir alle Zeugen echter Brüderlichkeit und Solidarität, christlicher Nächstenliebe. Und für uns als Christen, und konkret für mich als Priester? Was hat sich verändert? Gibt es etwas Spezifisches, wofür ich dankbar bin, das tiefer erkennen zu dürfen? Hier ein paar Gedanken.

 

  1. Stellvertretendes Leiden. (Uff!)

 

Gleich mal das Schwierigste zuerst. Heute ist Karfreitag. Um Punkt 16 Uhr kam ich aus der Sakristei. Inmitten unserer Gemeinde. Im Gegensatz zum Vorjahr. Da war weit und breit kein Mensch zu sehen gewesen. Wir hatten auch keine Ahnung, wann sich das wieder ändern würde. In Gedanken war ich zurück, beim Karfreitag 2020. Eine merkwürdige Stille hatte sich breitgemacht. Nur ich und er.

Der Karfreitag wirkt als einer der eindrucksvollsten Momente in unseren liturgischen Feiern. Keine Messe. Keine Eucharistiefeier. Der Priester liegt ausgestreckt vor dem Altar. Kopf nach unten. Langsam kriecht die Kälte der Marmorfliesen hoch und durchdringt den gesamten Körper. Eine Todessymbolik. Umhüllt von einem Schweigen, das so laut schreit, dass es kaum auszuhalten ist. Keine Blume. Kein Schmuck. Der Altar selbst ist entkleidet: der Herr, der nackt am Kreuz hing. Der allmächtige Gott, der sich vor dem Machwerk seiner eigenen Hände völlig entblößt und entäußert. Das Wort, das „es sei!“ spricht und ist, schweigt. Keine Musik. Kein Worship-Lied. Kein Zwitschern der Vögel. Nur der Pöbel, der schreit: „Ans Kreuz mit ihm!“ Auf einmal war ich in Rom. 24. Dezember 2003. Auch dort lag ich ausgestreckt am Boden, in priesterliche Gewänder gekleidet. Während der Allerheiligen-Litanei. Meine beiden Hände schützten mein Gesicht gegen die aufsteigende Kälte. Der Tag meiner Priesterweihe. Ihr seid dort gewesen. Da schaute ich auf ihn.

„Siehe, er kommt mit den Wolken und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben … sein Haupt und seine Haare waren weiß wie Wolle, leuchtend weiß wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen, seine Beine glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht, und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne. Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch lebe ich in alle Ewigkeit und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.“ (Offb 1, 14-19)

Noch immer lag ich am Boden. Wie tot eben. Jemand legte seine Hand auf meine Schulter, um sich zu versichern, dass noch alles okay sei. Nie zuvor war ich vom Karfreitag mit solcher Wucht ergriffen worden. Sein Leib will mein Leib werden. Meine Hingabe soll seine werden. Das heißt Christsein. „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,26) „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden.“ (Gal 2,19) „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ (Kol 1,24) „Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod“ (Röm 6,4). „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt …“ (Mt 10,38). In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh 16,33)

Durch die Taufe ist der Christ eingeladen, in das Todesgeschehen des Herrn einzutreten. Stellvertretung mit dem Stellvertreter. Er soll an seinem Hingegebensein an die Welt teilnehmen. Sodass Auferstehung geschehe. (Vgl.  Röm 6,5-11) Wenn ein geliebter Freund im Sterben liegt, dann bleibe ich keine weiteren zwei Tage, sondern mache mich auf den Weg zu ihm. Besonders dann, wenn mein Kommen sein Sterben verhindern könnte. Genau das macht aber Jesus mit Lazarus (Joh 11) nicht. Johannes erklärt uns, warum: „Weil er ihn liebte.“ Wie soll man das bitte verstehen? Und warum lesen wir in der Kirche jedes Jahr genau dieses Evangelium am Sonntag vor dem Palmsonntag? „Warum das so ist? Es sind Gottes Geheimnisse, von denen wir sprechen, und die lassen sich nicht restlos durchdringen. Aber ein wenig hineinschauen können wir schon. Gott ist Mensch geworden, um uns aufs Neue teilhaben zu lassen an seinem Leben. Damit beginnt es, und das ist das letzte Ziel.“ (Edith Stein) Tod als Weg zur Auferstehung. Jesus lässt gerade seine Jünger und Freunde in besonderer Weise an seinem eigenen Leben teilhaben. Jeder, der sein Jünger sein will, darf auf geheimnisvolle Weise an der Erlösung der Welt mitbauen. Darf mit Jesus sein Kreuz tragen. Ruft mit Paulus aus: „Christus will ich erkennen. Die Macht seiner Auferstehung. Die Gemeinschaft mit seinem Leiden. Sein Tod soll mich prägen.“ (Phil 3,10) Das ist kein Kinderspiel.
Die Krise hat mir geholfen, mein Christsein und mein Priestersein neu zu begreifen und mich hoffentlich ein wenig mehr darauf einzulassen.

Der Stellvertretungsgedanke ist keine leichte Kost. Jesus Christus ist nicht in die Welt gekommen, um das Leid aus der Welt zu nehmen, sondern um es zu erlösen.

„Im Kreuz Christi hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden … Jeder ist auch zur Teilhabe an jenem Leiden aufgerufen, durch das die Erlösung vollzogen wurde. Er ist zur Teilhabe an jenem Leiden gerufen, durch das zugleich jedes menschliche Leiden erlöst worden ist. Indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte, hat Christus gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben. Darum kann auch jeder Mensch durch sein Leiden am erlösenden Leiden Christi teilhaben.“ (Hl. Johannes Paul II, Salvifici Doloris 19)

Leid als pure Illusion ist, Corona hin oder her, schwer wegzurationalisieren. Vielleicht glaubt man an vieles nicht. Aber wer Leid verneint, gehört in die Psychiatrie. Die Frage ist, was man damit macht. Man kann sagen: Ja, gut, an einen Gott, der das Leiden unschuldiger Kinder verneint, kann ich nicht glauben. Okay, nur: Wenn man Gott verneint, nimmt man dadurch das Leid nicht weg. Man macht es eher noch absurder. Man sagt, der Mensch könne fast jedes „Was“ aushalten, wenn er ein „Warum“ hat. Nimm Gott weg und du zerstörst jegliches letztes „Warum“. Denn morgen landet sowieso das gesamte Universum in einem Riesengrab. Und dann ist alles egal.

Das „Ich ergänze an meinem Leib“ (Kol 1,24) ist für den Christen kein Nebenschauplatz. Das „nehmt euer Kreuz auf euch“ ist für den Christen keine nette Metapher. Das „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 16,25) ist kein Satz, den mal so schnell aus seiner Bibel herausreißen kann. Die Passionsgeschichte ist kein unangenehmes Überbleibsel, das man schnell überlesen soll, um zu den Auferstehungsgeschichten und Pfingsten zu gelangen. Es ist der Weg des Christen. Weil es der Weg des Meisters war. Weil wir in ihm einverleibt sind. Der Christ muss das „ganze Christusleben durchleben“ (Edith Stein) und nicht nur den Kindergarten, wenn man Gottes Hand noch fest spürt und der Weg „sonnenhell vor uns liegt, was wir zu tun und zu unterlassen haben. Das bleibt nicht immer so …“ (ibid). Er ist berufen, Jesus zu erlauben, auch in ihm „der eine für die vielen“ (vgl. Röm 5,12-21) zu werden. Jesus verspricht „das Leben in Fülle“ (Joh 10,10). Ja. Aber dieses Leben findet man gerade in der Hingabe. Denn das Evangelium macht klar, dass „der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (II. Vatikanum, GS 24).

„Der Glaube lehrt Euch: Es lohnt sich, für eine gerechtere Gesellschaft zu arbeiten; es lohnt sich, zu leiden, um das Leiden anderer zu mindern; es lohnt sich, den Mitmenschen in seiner Würde zu bestärken. Es lohnt sich, weil der Mensch nicht das Wesen ist, das lebt, leidet, sich erfreut, ausgebeutet wird und mit dem Tod sein Ende findet. Es lohnt sich, weil er ein Abbild Gottes ist, berufen zur ewigen Freundschaft mit ihm, ein Wesen, von Gott geliebt“. (Hl. Johannes Paul II., Costa Rica, 3.3.1983)

Ich denke hier an viele Ärzte und das Pflegepersonal, die uns gerade davon ein Beispiel gegeben haben. Ich denke an einen Priester aus Italien, der sein eigenes Beatmungsgerät an einen anderen weitergegeben hat und dann gestorben ist. Ich denke zugleich an die Billa-Verkäuferin gegenüber, die mit großer Freude ein Lächeln inmitten von Angst und Zweifel verbreitet hat, bevor sie schließlich erkrankte.

Wir Christen haben da noch eine weitere Dimension entdeckt, die wir bis jetzt fast gar nicht am Bildschirm hatten. Die löste Diskussionen, Verwirrung und Schmerz aus. Ich meine die Tatsache, dass wir für doch relativ lange Zeit keine oder fast keine Sakramente mehr spenden durften. Vor allem beziehe ich mich auf das „eucharistische Fasten“. Man kann nachvollziehen, warum das im Moment so schwer einzuordnen war. Gerade für uns Priester. Auch wenn wir weiterhin den Herrn täglich empfangen durften, war das ganz schwierig hinzunehmen. Im Nachhinein glaube ich, dass hier der Stellvertretungsansatz weiterhelfen kann. Und dass gerade heute, der Karfreitag, ein guter Tag ist, darüber zu reflektieren.

Papst Benedikt XVI. fragte in seinem Buch „Schauen auf den Durchbohrten“: „Nehmen wir den Empfang des heiligsten Sakramentes nicht oft zu leicht? Könnte diese Art von geistlichem Fasten nicht dazu beitragen oder sogar notwendig werden, unsere Beziehung zum Leib Christi zu vertiefen und zu erneuern?“ Ein fast schockierendes Beispiel war die „Selbstexkommunikation“ des hl. Augustinus vor seinem Tod. Er wollte – gemeinsam mit dem Meister – mit den „öffentlichen Sündern“, die durch den Verzicht auf die eucharistische Kommunion um Vergebung und Gnade baten, solidarisch sein. Er wollte Jesus erlauben, die Dunkelheit des „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) in sich zu erleben. Und er legte sich selbst ein eucharistisches Fasten auf. Er wollte gebrochenes Brot für die Welt werden. „Er, der keine Sünde kannte, ist für uns zur Sünde geworden.“ (vgl. 2 Kor 5,21) Das hat nur dann Sinn, wenn man das Ziel der Kommunion vor Augen hat: die Liebesgemeinschaft mit dem Herrn und mit allen, die zu Christus gehören. Exkommunikation hat als Ziel nichts anderes als das „Heilen der Liebe“, um damit einige Gedanken des hl. Bonaventura und von Benedikt XVI. weiterzuführen. Und daher kann man verstehen, dass die „Unmöglichkeit der sakramentalen Kommunion, wenn sie im Schmerz der Sehnsucht, welches das Wachstum der Liebe fördert, als Ferne Gottes erfahren wird, zum geistlichen Fortschritt führen kann.“ (ibid)

„Eucharistisches Fasten“, so meinte damals Benedikt, setze das regelmäßige „Nichtfasten“ voraus. Es soll auch in Begleitung der Kirche stattfinden, um nicht arbiträr (beliebig) zu werden. Aber der Punkt ist, dass uns diese Fastenzeit auferlegt worden ist. Wir haben sie ja nicht selbst gewählt. Wir konnten die Situation nicht ändern. Sie war auf einmal so. Schlagartig. Aber sie hat uns die Gelegenheit geboten, neu darüber nachzudenken: Wer ist es, den wir dort empfangen? Wie bereite ich mich denn für diese Kommunion vor? Welche Auswirkungen hat diese auf mein Leben? Und noch krasser, um auf den Stellvertretungsgedanken zurückzukommen: Es wäre eine Gelegenheit, sich mit dem Karfreitagsgeschehen zu vereinen, an dem die frühere Kirche nicht kommuniziert hat, gerade um mit dem Meister noch mehr eins zu werden. Gott hat uns anscheinend einen langen Karfreitag geschenkt, sodass es Ostern werde in der Welt. Sodass Jesus auferstehen kann, in den Herzen vieler, die ihn nicht kennen oder die ihm den Rücken gekehrt haben.

Das hat aber von uns verlangt, dass wir ganz bewusst diese Zeit als solche leben. Dass wir „ja“ sagen zu diesem Opfer, nicht widerwillig. „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.“ (Röm 12,1) Das Kreuz ist per Definition Kreuz. Es fällt uns schwer. Wir hätten es lieber anders. Das ist gerade der Punkt. Aber die Annahme befreit und ermöglicht die Teilnahme am Opfergeschehen des Herrn, an seinem „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, zum Heil der Welt.

 

  1. Ein Reifen im geistlichen Leben.

„Folge Jesus nach und es wird dir gut gehen.“ Evangelium ist das nicht. Besonders wenn mit „gut“ Erfolg gemeint ist. Oder „sich gut fühlen“. Oder „gut drauf sein müssen.“ Du wirst „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) erfahren. Ja. Du wirst Sinn und Halt finden. Ja. Aber „Erfolg zu haben und ein sinnerfülltes Leben zu führen sind von Grund auf zwei verschiedene Sachen“ (Rick Warren). Sinn ist immer auf der anderen Seite von „Was ist da für mich drin?“ (Andy Stanley). Eine Spiritualität, die das Selbst statt dem Herrn und den Nächsten in den Vordergrund stellt, heißt New Age oder neue Gnosis. Christsein ist das nicht. Eine Spiritualität, die versucht, die Passionsgeschichte aus dem Evangelium herauszureißen, ist grundsätzlich verfehlt.

Vielen von uns ging es während der Krise nicht besonders gut. Vieles haben wir nicht verstanden. Unser Glaube wurde auf die Probe gestellt. Warum lässt Gott alles zu? Wo ist hier unser „liebender Vater“? Wo der „barmherzige Gott“? Wie ist es zu vereinbaren, dass einerseits Gott dieser Geschichte nicht desinteressiert gegenübersteht und es ihm nicht egal ist, was hier, was konkret auch mit mir geschieht, und anderseits, dass horrendes Übel und Leid in der Welt vorhanden ist? Der Katechismus der katholischen Kirche besagt Folgendes:

„Das Zeugnis der Schrift lautet einstimmig: Die Fürsorge der Vorsehung ist konkret und unmittelbar; sie kümmert sich um alles, von den geringsten Kleinigkeiten bis zu den großen weitgeschichtlichen Ereignissen. Die heiligen Bücher bekräftigen entschieden die absolute Souveränität Gottes im Lauf der Ereignisse: „Unser Gott ist im Himmel; alles, was ihm gefällt, das vollbringt er“ (Ps 115,3). (KKK303)

Ja gut. Aber das Böse?

„So kann man mit der Zeit entdecken, dass Gott in seiner allmächtigen Vorsehung sogar aus den Folgen eines durch seine Geschöpfe verursachten moralischen Übels etwas Gutes zu ziehen vermag. Josef sagt zu seinen Brüdern: „Nicht ihr habt mich hierhergeschickt, sondern Gott … Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn … um … viel Volk am Leben zu erhalten“ (Gen 45,8; 50,20) [Vgl. Tob 2, 12-18 Vg.]. Aus dem schlimmsten moralischen Übel, das je begangen worden ist, aus der durch die Sünden aller Menschen verschuldeten Verwerfung und Ermordung des Sohnes Gottes, hat Gott im Übermaß seiner Gnade [Vgl. Röm 5,20.] das größte aller Güter gemacht: die Verherrlichung Christi und unsere Erlösung. Freilich wird deswegen das Böse nicht zu etwas Gutem.“ (KKK 312)

Augustinus sagt es so: „Der allmächtige Gott … könnte in seiner unendlichen Güte unmöglich irgendetwas Böses in seinen Werken dulden, wenn er nicht dermaßen allmächtig und gut wäre, dass er auch aus dem Bösen Gutes zu ziehen vermöchte“ (Augustinus, enchir. 11,3). Nur, wenn man inmitten des Übels steckt, ist es schwer zu verstehen, wie jemals aus so einer Situation etwas Gutes kommen soll. Und wer will es mit einem Gott zu tun haben, der das Leiden von Kindern als Mittel nutzt, um Gutes daraus hervorzuholen? Wie gut ist das dann? Aber genau da ist der Wurm drinnen. Denn Gott verursacht nicht das Leiden von Kindern. Er will es auch nicht. „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt.“ (Weis 2,24) Gott wollte nicht den Tod des Sünders. Aber er ist so groß, dass er sogar aus diesem Desaster, das im Letzten eine Konsequenz des Missbrauchs der menschlichen Freiheit, die wir Sünde nennen, ist, etwas Gutes herausholen kann. Das macht das Böse nicht gut, aber Gott großartig.

Solange es einen nicht selbst trifft, kann man leicht nette theologische Erklärungen für das Leid liefern. Solange es einem gut geht. Aber wenn es einen selbst zu berühren beginnt, da noch wie ein hl. Thomas Morus kurz vor seinem Tod an seine Tochter schreiben zu können: „Es kann nichts geschehen, was Gott nicht will. Was immer er aber will, so schlimm es auch scheinen mag, es ist für uns dennoch wahrhaft das Beste“ – das ist wahrhaft schwer. Und doch. Davon bin ich immer mehr überzeugt: Das ist der Weg. Der einzig gangbare Weg. „Gotteskind sein heißt: an Gottes Hand gehen, Gottes Willen, nicht den eigenen Willen tun, alle Sorge und alle Hoffnung in Gottes Hand legen, nicht mehr um sich und seine Zukunft sorgen. Darauf beruhen die Freiheit und Fröhlichkeit des Gotteskindes.“ (Edith Stein)

Die Krise war für mich und vielleicht für uns alle eine Chance, um stärker im Vertrauen zu wachsen. Um uns am Kreuz noch mehr in die Hände des Vaters zu stürzen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46) Um uns von unseren falschen Gottesbildern zu reinigen. Um unsere Liebe reifer werden zu lassen. Weniger Selbstzentrierung und Ichbezogenheit in der Gottesbeziehung – und mehr Christuszentrierung und Gottbezogenheit. Weniger den Trost und die Geschenke Gottes suchen und mehr dem Gott des Trostes und der Geschenke anhangen. Weniger die eigene Gottesbeziehung auf ´wie man diese spürt´ bauen und mehr, inwiefern man den eigenen Willen mit dem seinen in Einklang bringt. (Vgl. Joh 14,15)

 

  1. Auf Beziehung basierte Nächstenliebe.

 

Beziehungsbasierte Nächstenliebe? Jetzt sagt Ihr vielleicht: „Wie bitte soll sie denn sonst sein?“ Aber ich glaube, Ihr könnt gut nachvollziehen, was ich meine. Ihr wisst, wie unsere Gemeinde in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Wie viele Herausforderungen das mit sich bringt. Sehr schnell bedarf es anderer Strukturen. Man muss Prozesse starten. Man muss Rahmenbedingungen erstellen, sodass unser pastorales Wirken überhaupt möglich wird. Aber ich glaube, dass unsere Herausforderung gewissermaßen eine echte für jeden Christen ist. Es gibt „so viel zu tun“. Das Resultat? Man ist oft genug im Aufbau, in den Erhalt oder Abbau von Strukturen gefangen. Beziehungen bleiben auf der Strecke oder werden schlecht gelebt. Gerade bei uns Christen ist das eine Herausforderung. Weil sich Dinge verselbstständigen. Man hat es immer so gemacht. Wird es auch immer so weitermachen. Programme, Initiativen, Bingo-Abende, Familiennachmittage, Flüchtlingsprojekte und Orgelausschüsse etablieren sich. Und das mit den besten Absichten. Aber man muss sich zu fragen trauen: Dienen diese Sachen den Menschen, oder dienen die Menschen den Programmen? Ist das, was wir tun, der beste Weg, um den Menschen zu helfen, Jünger Jesu zu werden? Ist dieser Erstkommunionunterricht-Ansatz immer noch zeitgemäß und die wirksamste Art und Weise, diesen Kindern den Glauben näherzubringen und sie in eine lebendige Beziehung mit Jesus Christus hineinzuführen? Oder haben wir diesen Unterricht schon zehn Jahre so gemacht und daher führen wir ihn so weiter?

Die letzten Monate haben uns geholfen, um alles, was wir tun, erneut auf den Prüfstand zu stellen. Und das war gut so. Wir konnten keine Ausschüsse mehr gründen und nicht noch mehr Treffen organisieren und größere Strukturen aufbauen. Alles war auf Eis gelegt. Wir mussten uns neu fragen. Worum geht es uns eigentlich? Warum sind wir hier? Ich bin so dankbar für mein Leitungsteam. Wir hätten gleich wieder in die Beschäftigung verfallen können. Tausend neue Initiativen beginnen können. Ich erinnere mich an die Idee, innerhalb von zwei Wochen zu den Ostertagen einen „fetten“ Online-Kongress mit Top-Speakern zu organisieren. „Nein“ war die Antwort. Gott hatte während der Fastenzeit gleich die gesamte Welt in die Wüste geführt. Jetzt sollten wir erst mal dort ankommen und realisieren, was er uns wohl zu sagen hatte.

Ziemlich schnell wurde klar, dass wir ganz entschieden die Versuchung überwinden mussten, zu glauben, wir würden schon selbst den Weg aus der Wüste finden. Wir müssten nur tausend Aktivitäten ins Leben rufen und uns ganz viel beschäftigen. Bitte nicht falsch verstehen. Ihr wisst ja, dass ich der Erste bin, der uns alle an Paulus erinnern würde, „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (1 Kor 9,16), der ganz davon überzeugt ist, dass das „wir sollen nicht in eine Leistungsspiritualität hineinfallen“ eine tiefe Wahrheit, aber auch zugleich eine gefährliche Versuchung sein kann. Dass das „nichts leisten müssen“ zu einem „Couchkartoffel-Christsein“ führen kann. Dass „die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14) in Vergessenheit geraten kann. Wie so oft, gilt auch hier kein „Entweder-oder“. Also nicht Gnade oder Werke, sondern Gnade und Werke, „Glauben, der in der Liebe wirksam ist“. (Gal 5,6) 100 Prozent auf die Gnade bauen und zugleich 100 Prozent Einsatz der von Jesus Christus erlösten menschlichen Freiheit. Apostolat, das aus dem Gebet gespeist wird. Es gibt Zeiten, wo mal das eine oder das andere in den Vordergrund gerückt werden muss. Gerade dass ein Equilibrium (Gleichgewicht) entstehen kann. Jetzt war die Wüste dran. Gott wollte dort unsere Liebe reinigen.

Ziemlich bald wurde uns klar: In dieser Wüstenzeit müssten wir uns vor allem auf die persönlichen Beziehungen konzentrieren. Zuallererst müssten wir das vom Herrn her neu erlernen. Unsere Beziehung mit ihm stärken. Statt wieder einmal eine „24/7“, also eine 7-tägige 24-Stunden-Anbetung zu starten, haben wir uns für eine „24/BisDieKriseAufhört“-Anbetung entschieden. Das war die beste Entscheidung in der gesamten Krisenzeit. Wie wollten wir tiefe Beziehung leben, etwas von der Liebe Gottes für unsere Mitmenschen sichtbar machen, wenn wir uns nicht erst mal seiner Liebe für die Welt und ganz konkret für jeden von uns aussetzen würden? Nicht erst mal neu lernen, uns von ihm lieben zu lassen? Nicht erst mal tief zu ihm Beziehung suchen, sodass er uns in seine Beziehung mit dem Vater und dem Heiligen Geist hineinzieht und dadurch lernen, was Beziehung überhaupt ist und wie sie ist?

Die Beziehung zu Gott schottet nicht von den Menschen ab, sie drängt uns zu ihnen hin. Es ging darum, unsere Mitmenschen mit kreativen Mitteln aufzusuchen. Zuallererst mit unseren eigenen Familien- und Gemeindemitgliedern und dann darüber hinaus vor allem mit den Bedürftigen und von dieser Krise schwer Betroffenen. Jetzt war Wüste. Dort gab es wenig Ablenkung. Die Wüste half, das Gegenüber neu wahrzunehmen. Das war eine Erfahrung, die mir unser Projekt „Adventure & Faith“ schon gezeigt hatte. Die Expeditionen durch die kanadische Wildnis wurden zu intensivsten Gemeinschaftserlebnissen. Masken fielen. Wir wurden ehrlich zueinander. Unwesentliches wurde zur Seite geschoben. Wir waren füreinander da. In der Wüste durften wir neu lernen, Beziehung zu buchstabieren. Jetzt erkenne ich die Weisheit Gottes in alldem. Als Gemeinde sind wir glaubwürdig in dem Maß, wie wir die liebende Beziehung der Dreifaltigkeit widerspiegeln und gewissermaßen quasi sakramental gegenwärtig setzen. Das ist, was Kirche ist, „das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ (II. Vatikanische Konzil, LG 1,1) Die ganzen Projekte bewirken wenig oder gar nichts, wenn sie nicht in eine tiefe gemeinschaftliche Erfahrung eingebettet werden.

Die Zeit, sich auf andere Dinge zu fokussieren, würde bald genug wiederkommen. Aber wir mussten in der Wüste in die Schule des Meisters gehen, um mit ihm den einzelnen Menschen vor Augen zu haben und zu unterstützen. Sodass wir dies dann später bei aller Geschäftigkeit nicht wieder vergessen. Wir, gerade als Kirche. „Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“ (Gal 2,20) Also nicht einfach „für die Menschheit“, sondern eben „für mich“. Es ging Jesus immer um den Einzelnen. So muss es auch für uns sein und für uns bleiben. Der Einzelne muss durch uns etwas von der uneingeschränkten Liebe Gottes erfahren. Er muss merken: „Ich bin wertvoll. Wenn dieser Mensch bereit ist, sein Leben für mich hinzugeben, vielleicht bin ich ja wirklich liebenswürdig, vielleicht liebt mich Gott auch so?“ Es ist schwer für uns, glaubwürdig das Evangelium zu verkünden, wenn das Gegenüber den Eindruck hat, es gehe gar nicht um ihn. Wenn es darum geht, wer hier besser debattieren kann. Oder wer seine Weltanschauung besser verteidigen kann. Wie schön ist es aber, wenn das Gegenteil geschieht. Für mich war es während der Krise ein Geschenk, immer wieder das Zeugnis wahrhaft authentischer christlicher Nächstenliebe zu erleben. Teilweise in heroischem Ausmaß. Wo Menschen ihr Leben für einen Wildfremden aufs Spiel setzten. Wo es nicht darum ging: Ich liebe dich, wenn du mir dies oder jenes gibst oder für mich tust. Sondern einfach mal so.

Es ist Karfreitag. Schon schimmert die österliche Morgenröte durch die Dunkelheit. Aber auch die Geburtsstunde. Von dir, Mama, und dadurch auch von mir. Aber mehr noch. Aus der offenen Seite des neuen Adams fließen die Quellen einer neuen Welt. Vom Christsein. Von Kirche. Vom Priestertum. Tiefes Schweigen umhüllt das Land. „Seht das Kreuz, an dem das Heil der Welt hängt! … Kommt, beten wir an! Geheimnis des Glaubens!“ In meinen Gedanken bin ich wieder in Rom. Im Jahr meiner Priesterweihe. Karfreitag, 2003. Ich stehe mit einigen Mitbrüdern und einigen Tausend Gläubigen vor dem Kolosseum. Von einer Anhöhe hören wir die feste, tiefe, aber schon langsam gewordene Stimme von Johannes Paul II. Jedes Wort schien ihm eine Anstrengung zu sein. Wir hatten gerade gemeinsam den Kreuzweg gebetet. Es waren seine Abschiedsworte.

Auf einmal wurde der Papst sehr nachdenklich: „Dieses Geheimnis, diese Wirklichkeit übersteigt die Vorstellungskraft des Menschen. Gott allein konnte all dies offenbaren. Der Mensch verfügt nicht über die Möglichkeit, sein Leben nach dem Tod hinzugeben. Nach menschlichen Maßstäben hat der Tod das letzte Wort.“ Er wurde kurz energisch: „Das Wort, das danach folgt, das Wort ´Auferstehung´, ist ein Wort, das von Gott kommt.“ Dann wurde er wieder nachdenklich. Und doch sprach er mit einer geistigen Vollmacht, die mich an das Evangelium von einigen Wochen zuvor erinnerte, als die Tempelgarde zu den Hohepriestern zurückkam, ohne Jesus festgenommen zu haben, und als „Ausrede“ behauptete, „noch nie hat ein Mensch so gesprochen.“ (Joh 7,46). Natürlich hinkt der Vergleich. Und doch meinte Papst Benedikt XVI., „Nachfolge ist ihrem Wesen nach lebendige Gegenwart des Wortes in der personalen Gestalt des Zeugen.“ So habe ich das an diesem Karfreitag 2003 empfunden. Die Worte haben mich tief getroffen. Heute ist das fast 20 Jahre her. Und als ich im Internet nachlas, merkte ich, dass ich mich fast wortwörtlich an diese Sätze erinnert hatte. Leider kann ich nicht die innere Erregtheit wiedergeben, die mich ergreift, wenn ich mich daran erinnere:

„Heute, heute beten wir zu Christus, der vom Kreuz abgenommen und bestattet wird. Sein Grab wird verschlossen. Und morgen wird in der ganzen Welt, im ganzen Kosmos und in einem jeden von uns tiefe Stille herrschen. Erwartungsvolle Stille. »Ecce lignum Crucis in quo salus mundi pependit.« Dieses Holz des Todes, dieses Kreuzesholz, das dem Sohn Gottes den Tod gebracht hat, eröffnet den Weg zum nachfolgenden Tag: Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag. Am Sonntag werden wir das Osterfest feiern! Und wir werden die Worte der Liturgie hören. Heute haben wir gehört: »Ecce lignum Crucis in quo salus mundi pependitSalus mundi! Am Kreuz! Und übermorgen werden wir singen: »Surrexit de sepulcroqui pro nobis pependit in ligno.« (Er ist auferstanden vom Grab … der für uns am Holz hing) Dies ist die Tiefe, die göttliche Einfachheit dieser heiligen drei Tage. Mein Wunsch für uns alle ist, dass wir dieses Triduum in seiner ganzen Tiefe erfassen können. Wie jedes Jahr haben wir uns heute beim Kolosseum versammelt. Es ist ein Symbol. Dieses Kolosseum ist ein Symbol. Vor allem legt es Zeugnis ab von vergangenen Zeiten, vom großen Römischen Reich, das untergegangen ist. Es erinnert uns an die christlichen Märtyrer, die hier mit ihrem Leben und mit ihrem Tod ihr Glaubenszeugnis abgelegt haben. Es lässt sich wohl kaum ein anderer Ort finden, an dem das Geheimnis des Kreuzes auf beredtere Weise zu uns spricht als hier vor diesem Kolosseum. »Ecce lignum Crucis in quo salus mundi pependit
Und dann beendete der Papst mit diesen Worten „ad lib“, die ich euch beiden, liebe Mama, lieber Papa, aber uns allen wünsche: „Ich erhoffe euch allen, liebe Brüder und Schwestern, dieses Triduum Sacrum (Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostervigil und Ostern), immer tiefer zu leben … es zu leben und es zu bezeugen.“   

Gottes Segen und alles Gute zum Geburtstag! Ganz besonders möchte ich euch den Hl. Johannes Paul II. anvertrauen. Heute ist sein Sterbetag: 2.4.2005. Noch ein Grund, warum dieser Tag für mich so ganz besonders ist. Vielleicht für euch auch. Ich bete für euch. Bitte betet für mich. Am Sonntag ist Auferstehung. Wir hören uns dann, euer

George

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