Das Freieste, was es gibt, heißt Liebe. Aber je freier die Liebe, desto weniger wird sie sich ändern. Das Unfreie, was aufgenötigt oder erzwungen ist, hält nur, solange der Zwang und die Nötigung dauern. Das ist eine Zusammenfassung einer Idee von Edith Stein zu Pfingsten 1935. Sie fährt dann fort: „Wo man frei ist, da kann einen nichts hindern zu beharren.“ Also nicht „Ich werde genötigt, dieser Liebe treu zu bleiben“, sondern „Ich bin frei von alledem, was mich nötigen könnte, dieser Liebe untreu zu werden“. Je freier die Liebe, desto unwandelbarer. Nichts hindert sie mehr in der Beharrung. Kein Egoismus. Keine Erwartungshaltungen anderer. Keine Selbstsucht oder kein Neid oder keine Gier oder keine Faulheit oder kein Hochmut oder keine Genusssucht. Sie wird transparent, lauter. Sie ist treu. Umstände, Herausforderungen, Stimmungswandel, Meinungen anderer – das alles kann sie nicht bändigen. Wer das versteht, kann vielleicht beginnen zu begreifen, was es heißt, dass Gott die unendliche Freiheit ist. Und das, was es heißen könnte, dass er uns in die „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21) führen will und wird, in dem Maß, wie wir zulassen, dass die Liebe, die er ist, uns durchtränken, in uns wehen und gewähren darf: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ (Joh 3,8)

Hier ist nicht die Rede von einer ungesunden Beziehung, aus der man raus soll, vielleicht sogar deswegen, weil man die Freiheit wirklich verlieren kann, weil man in eine zwanghafte Abhängigkeit geraten ist. Sondern es geht eher darum, was es heißt, von Gott her zu lieben. Denn die freiwillige Abhängigkeit von Gott und die Verfügbarkeit seinem Wirken gegenüber versklavt nicht, sondern befreit und verwirklicht uns. „Die freieste Tat der Freiheit ist die Hingabe“ (Edith Stein), nicht das Ängstliche, an sich selbst festzuhalten, nicht sich alle Optionen offen halten zu wollen, aus Angst, etwas zu verlieren. Aber „verschenken kann sich nur, was sich selbst besitzt – so besitzt, dass es über sich selbst verfügen kann“ (ibid). Wer sich selbst nicht in der Hand hat, kann sich auch nicht verschenken. Er wird bestimmt. Er lebt nicht, sondern wird gelebt. Wer nicht nein sagen kann, kann auch kein echtes Ja sprechen.*

Liebesfähig ist nur der, der über sich verfügen kann. Er ist fähig, nicht nur etwas, sondern sich selbst zu verschenken. Genau das heißt Person-Sein. Aber in uns geht unser Person-Sein und unser Lieben nicht zusammen: „Jedenfalls sind wir nicht unsere Liebe.“ (ibid) In Gott hingegen ist das sehr wohl der Fall. Die Liebe ist „kein Teil seines Wesens, weil sein Wesen keine Teile hat.“ (ibid) Und das heißt, wenn er sich verschenkt, dann „ist es die Liebe, die sich verschenkt und dann ist die Liebe selbst Person“ (ibid): der Heilige Geist. Denn „wenn Gott schenkt, schenkt er nur sich selbst.“ (Benedikt XVI.) Aber das ist ja das Erstaunliche: Dass diese, seine Gabe dann wirklich meine wird. Diese Gabe wird mir nicht äußerlich auferlegt, sondern verwandelt mich von Grund auf, vergöttlicht mich durch Teilhabe, wirkliches Einswerden mit dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein … damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.“ (Joh 17,21.26).

Der Heilige Geist macht uns fähiger, so zu lieben wie er, frei zu sein wie er. Er ist der wirkliche Befreiungsschlag aus der Sklaverei des unbestimmten Egoismus. Er lehrt uns lieben im Sohn, und zwar frei, uneingeschränkt, unwandelbares Beharren in dieser Liebe, die er ist. Denn „Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ (2 Kor 3,17) Er verwandelt uns zunehmend in das Abbild des Sohnes, dessen Liebesbeziehung mit dem Vater er ist und in die er uns hineinzieht: „Wir alle aber schauen mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn.“ (2 Kor 3,18)

Das Freieste was es gibt, heißt Liebe – Herr, führe uns in diese Liebe! Lass uns frei werden, die Freiheit der Kinder Gottes erfahren! Schenke uns diese Gabe, dass der Geist nicht nur uns in die Freiheit führt, sondern auch durch uns diese Welt, die so sehr dieser Freiheit bedarf, die Liebe heißt und sich verschenkt und dadurch bindet und einschränkt und beharrt und gerade dadurch groß und schön und herrlich wird! Komm, Heiliger Geist!

Gottes Segen!
P. George

* Letzteres versucht, zwei Ideen – eine von Edith Stein in ihrer „Kreuzeswissenschaft“ und eine von Christopher West in seinen Überlegungen zur Theologie des Leibes von Johannes Paul II. in seiner „Theologie des Leibes für Anfänger“ – zusammenzuführen.