Der Geist kommt. Die Wunde bleibt.

So einfach ist das nicht. Ja, natürlich freut man sich. Man ist schnell dabei, die Spuren Gottes in der Sache zu sehen. Das ist auch in Ordnung. Das zeigt etwas von geistlicher Feinfühligkeit. Und vielleicht, hoffentlich, von etwas Demut. „Hoffentlich“, denn wo Hochmut weht, lauert Gefahr. Nämlich, dass man Spuren Gottes dort wahrnimmt, wo nur Ego vorhanden ist. Die eigenen Pläne. Die eigenen Wünsche. Und Gott wird hergenommen, um das Ego mit einer göttlichen Rechtfertigung auszustatten. Herr! Bewahre uns vor Hochmut! Es gibt aber noch eine weitere Herausforderung – ich versuche es mal so darzustellen:

Vorgestern war Herz-Jesu-Freitag (weltweit wird in der katholischen Kirche der erste Freitag im Monat als Herz-Jesu-Freitag gefeiert), außerdem befinden wir uns im Juni. Der Monat im Jahr, der besonders dem Herzen Jesu gewidmet ist. Jetzt ist es so, dass meine Ordensgemeinschaft – Legionäre Christi – früher „Misioneros del Sagrado Corazón de Jesús y de la Vírgen de los Dolores“ (frei übersetzt: Missionare des Heiligen Herzens Jesu und der schmerzhaften Jungfrau Mariens) hießen und uns das weiterhin sehr prägt. Wir haben den Vertrag mit unserem Generalunternehmer „zufällig“ am 15. September 2023 unterschrieben. Das ist das Fest der „Schmerzen Mariens“ (dieser merkwürdige Titel wäre eine längere Geschichte). Und vergangenen Freitag feierten wir die Übergabe des Gebäudes, die sogenannte Schlüsselübergabe seitens des Generalunternehmers an den Bauherrn. Das ist für uns ein großer Meilenstein, einer der wichtigsten des gesamten Projekts. Und zwar am Herz-Jesu-Freitag im Juni. Himmlische Regie … mit dem Bewusstsein, dass man solche Aussagen mit Vorsicht zu tätigen hat. Aber man kann auch in das andere Extrem fallen, gar nicht mehr fähig sein, die Großtaten Gottes anzuerkennen. Nur noch alles nach menschlicher Logik zu erklären versuchen. Aber wenn wir so an dieses Projekt herangegangen wären, dann hätten wir erst gar nicht angefangen. Dieses Projekt war und ist nur deswegen möglich, weil Gott eingegriffen hat und eingreift. Sämtliche Wunder, die unterwegs geschehen sind, entziehen sich der rein menschlichen Erklärung.

Aber hier kommt noch die schon erwähnte Herausforderung. Oder warum es nicht so einfach ist. Am Freitag hatten wir nicht nur Schlüsselübergabe. Sondern ich führte ein Gespräch mit einer Mom, die vor kurzem ein Kind verloren hat. Und bei ihrem Dad wurde soeben Krebs diagnostiziert. Und … ich könnte weitergehen, aber das reicht ja schon einmal. Soll ich ihr begeistert erklären, was gerade der Herr so großartig unter uns bewirkt? Wie seine Vorsehung doch so zu spüren ist? Sie sollte bitte doch nur ihre Augen aufmachen? Nicht so einfach. Echt herausfordernd.

Ja. Wir dürfen Momente erleben, wo Vorboten des Himmels zu verkosten sind, Vorboten des „Dann wird er jede Träne trocknen“ (Offb 21,4), Vorboten der Fülle am Leben (vgl. Joh 10,10). Jetzt schon dürfen wir an der Freude des Auferstanden teilhaben. Erfüllt von der Hoffnung, die uns trägt (vgl. Röm 5,5). Ich selbst darf davon Zeugnis geben, wie tief die Freude ist, die Fülle am Leben, die mir ohne mein Verdienst zugetragen wurde, einfach als Geschenk. Auch wenn es an der Oberfläche stürmt und wütet. Aber ich weiß auch, dass dies eben Geschenk ist. Gabe. Göttliches Leben, das die Gabe in Person, der Heilige Geist, zuteilwerden lässt. Und ich weiß auch, dass ich leicht reden kann, da ich vieles nicht durchstehe, was andere, denen ich in der pastoralen Tätigkeit begegne, erleben. Ich weiß wohl, dass ich leicht reden kann, wenn ich dieses oder jenes Leid selbst nicht durchlaufen muss oder musste.

Wir sind keine Masochisten. Wir lieben das Leiden nicht. Wir wollen es nicht verherrlichen. Und wir setzen uns dafür ein, es überall dort zu beseitigen, wo wir es können. Zugleich wissen wir: Wir leben nicht im Paradies. Jesus selbst ist offensichtlich nicht in die Welt gekommen, um auf dieser Welt alles Leid zu beseitigen, sehr wohl aber, um dessen Sinnlosigkeit aufzuheben (siehe Johannes Paul II., „Salvifici Doloris“). Sehr wohl erlöst er durch das Leid, schenkt das Leid erlösende Kraft. Durch sein Leid, durch seine Hingabe. Und das ist keine leichte Kost.

Es ist Pfingsten. Er zeigte ihnen seine Hände und Füße (vgl. Joh 20,20). Hauchte sie an. (vgl. Joh 20,22) „Empfangt den Heiligen Geist … denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen.“ (Joh 20, 22-23) Er zeigte ihnen die Hände und Füße … denn dort konnten sie die Wundmale noch sehen: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege …” (Joh 20,25) Jesus ist auferstanden. Ja. Aber die Wundmale sind noch da. Das ist ein großes Geheimnis. Und die Aussendung des Heiligen Geistes scheint damit etwas zu tun haben. Auch mit dem größten Übel der Welt, noch größer als das physische Leid und dessen Überwindung: die Sünde und dessen Vergebung.

Er schenkt ihnen den Geist, nachdem er ihnen seine Wundmale gezeigt hat. Es erinnert an das Kreuzgeschehen selbst. „Mich dürstet!“ (Joh 19,28) … und nachdem man ihm den Essig auf einem Schwamm gereicht hat, ist es vollbracht und er „übergab den Geist“ (Joh 19,30). Der Geist kommt durch seinen Tod … und als die Lanze das Lamm Gottes durchbohrt (vgl. Joh 19,34), fließt aus diesem Tempel Gottes – wie damals in der Vision des Ezechiels – ein Lebensstrom aus Blut und Wasser hervor, der zu einem großen Fluss wird. Überall, wo dieses lebendige Wasser hinfließt, entsteht Leben (vgl. Ez 47,1-12). Denn „aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben.“ (Joh 7,38-39) Der Geist kommt. Aber durch das Kreuz. Der Geist kommt. Aber die Wunde bleibt. Auch wenn sie verherrlicht wird. Der Geist wird strömen. Wenn auch wir glauben. Herr: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24) Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen der Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe! Komm, Heiliger Geist, und alles wird neu geschaffen! Komm, Heiliger Geist, und das Antlitz der Erde wird neu! (vgl. Ps 104,30)

Gottes Segen! Frohes Pfingstfest!

P. George LC