Berufung kommt von Gott, nicht vom Menschen. Das ist offensichtlich, klar. Aber manchmal werden gerade die selbstverständlichsten Dinge übersehen, nicht oder zu wenig in Betracht gezogen. Das heißt: Man kann eine Berufung nicht erkennen, indem man einfach zu überlegen beginnt, was will ich, was käme mir gelegen, was sind meine Träume, was passt zu mir? Vielleicht hat Gott etwas ganz anderes vor als das, was man sich zusammengereimt hat. Was ich damit sagen will: In der Berufungssuche besteht eine große Gefahr darin, dass man die Antwort mit sich selbst ausmacht. Aber die Antwort ist eben eine Antwort auf einen Ruf, und wenn man sich selbst etwas zuruft, dann wird die Antwort eben dem entsprechen, was man selbst will. Aber dabei engt man sich radikal ein. Man schaut nur noch auf die eigenen Talente, auf das, was man meint durch die eigene Kraft bewerkstelligen zu können, die Horizonte sind so weit wie das eigene Ich.
Papst Benedikt formulierte das einmal so: „Im Alten und Neuen Testament gibt es zahlreiche Berufungsgeschichten. Sie sind der Niederschlag der unerhörten Erfahrung, dass ein Mensch in seiner Lebenswelt von Gott angesprochen, herausgerufen und auf einen Weg gestellt wird.“
Das heißt, jemand war unterwegs in seiner Lebenswelt, gerade aus dieser Welt hat Gott immer wieder Menschen herausgerufen, herausgeholt. Gott kann das. Auch mit dem eigenen armen Ich, das nicht so viel von sich hält, aber auch mit dem großen ich, das zu viel von sich hält (siehe Saulus – Paulus). Gott kann und will Leben radikal ändern. Radikale Veränderung. Darum geht es bei Berufungsgeschichten. Das verlangt Offenheit und auch Vertrauen. Er will nur das Beste für uns. Er sucht aber zugleich Mitarbeiter in seinem Weinberg. Menschen, die er ermutigen will im tiefsten Sinne des Wortes: Er will ihnen Mut schenken, die Liebe, die zu diesem Mut hinreißt, die Kraft seines Geistes, die Leben verändert und der weht, wo er will.