Gut, ganz einhergegangen sind die beiden Veröffentlichungen nicht. Aber fast. Die Pressekonferenz zur Veröffentlichung der neuen Ökologie-Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus in Rom und der Verkaufsstart des Buches „Fifty Shades of Grey as told by Christian“ in New York trennten ganze 60 Minuten. Schon krass, wie das zusammenfällt.
Die beiden Weltanschauungen könnten nicht unterschiedlicher sein. Das Lustprinzip oder das Liebesprinzip. Der Egoismus oder die Hingabe. Die Sorge um Selbsterhaltung oder die Sorge um den Nächsten. Die Ausbeutung oder die Bewahrung. Und dann die berechtigte Frage: Bin ich überhaupt noch in der Lage, zwischen diesen beiden Worten „Lust“ und „Liebe“ zu unterscheiden? Wie können wir, bitte, brutalen Egoismus „Liebe“ nennen und Liebe „Egoismus“? Die Tageszeitung „Die Presse“ berichtet von der 20-jährigen Kimberly und deren Schwester, die die ganze Nacht vor dem Geschäft gewartet hatten, um in der Früh die Ersten sein zu dürfen, die erfahren, warum und wie Christian die junge Ana als Objekt für seine Sexbegierden ausnützte.
Als ich das las, musste ich an ein Gespräch mit einer Frau aus dem Rotlichtmilieu denken. Sie hatte mir zuerst erklärt, dass sie dort wenigstens Sicherheit und Anerkennung empfange, Wertschätzung wenigstens für eine Nacht oder sogar für mehrere. Und auf mein Nachfragen gestand sie, dass sie überhaupt erst hierhin gekommen war, weil sie ihre sechsjährige Beziehung so verletzt hätte. Oder ich musste an einem Gespräch mit einer junge Frau denken, deren Mann sie fünf Wochen nach der Hochzeit schon sechsmal betrogen hatte, deren Vater ihre Mutter nicht viel anders behandelt hatte und sie einfach nur noch wütend auf Männer war. Und ich musste auch an junge Verliebte denken, die derart aneinander kleben, dass