„Ein Grüner!“ – „Ein Antimodernist!“ – „Ein Linker!“ – „Ein Fundi“ – „So etwas radikal Erzkonservatives gab es seit dem rechthaberischen Syllabus von Pius IX. nicht mehr!“ Wow! Dachte ich, widersprüchlicher geht es ja fast nicht mehr! Reden wir da wirklich noch von der selben Person? So lauteten jedenfalls einige Reaktionen zu „Laudato si„, der neuen Enzyklika von Papst Franziskus. „Der Papst rückt die Ökologie ins Zentrum der Glaubensfrage.“ Ach ja? Wirklich? Nachdem ich vor einigen Tagen mit jemanden über „Laudato si“ diskutiert habe, aber sich am Ende herausgestellt hat, dass die Person das Dokument gar nicht gelesen hatte, lautet meine Einladung an alle „Laudato si“-Kritiker: Entweder Ihr lest bitte das Dokument oder Ihr leistet Widerstand, in dem Ihr Teil der Facebook Gruppe „Katholiken für kürzere Enzykliken“ werdet. Aber redet nicht über etwas, was Ihr nicht kennt! Für mich ist aber genau das aber Teil dessen, wozu Papst Franziskus in der Enzyklika aufrufen will, und zwar zu einem „zähen Widerstand des Echten“. Damit ist er seinem Meister treu, der einmal sagte: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Oh ja! Sich mit der Wirklichkeit konfrontieren zu lassen, da tun wir uns zuweilen schwer. Denn das könnte ja bedeuten, dass ich mich aus der Komfortzone herauslocken lassen muss, dass ich aufgerufen werde, mich selbst kritisch zu hinterfragen, mein Denken, mein Handeln, mein Tun und mein Nichttun. Da bleiben wir lieber in der Welt der Ideen, wo wir viel herumreden können, aber nichts am eigenen Lebensstil ändern müssen. Aber gut, daran erinnerte Papst Franziskus schon in „Evangelii gaudium„: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee.“

Ja, der Papst erinnert daran, dass man nicht von ökologisch verantwortlichem Handeln reden kann, wenn man sich auf der einen Seite für die Rettung der Wale einsetzt, auf der anderen Seite aber die eigenen Kinder „wegschmeißt“, entweder, weil man sie erst gar nicht in die Welt setzt, oder weil man sie abtreibt. Ja, er erinnert auch daran, dass wir nicht zugleich vor dem Eingreifen in die und der Manipulation der Natur warnen können – und im nächsten Augenblick Männer in Frauen und Frauen in Männer verwandeln wollen. Aber, und das ist der Punkt: Das ist eben nur eine Seite der Medaille. Er erinnert nämlich auch daran, dass wir nicht gleichzeitig von der Liebe zum Menschen und zu Gott, von moralischen Werten und objektiven Normen reden können, wenn wir nicht Gottes Schöpfung respektieren, wenn wir uns nicht der Wirklichkeit der ökologischen Krise stellen wollen, wenn wir weiterhin in ein immer wahnsinnigeres Konsumverhalten abgleiten und es uns anscheinend nichts angeht, wenn vor unserer Haustür Menschen im tiefsten Elend leben…oder sterben. Oder wenn wir so tun, als ob sich die Technik und die Wirtschaft irgendwie schon selbst regulieren würden, eben ohne eine „solide Ethik und Spiritualität, die ihm (den Menschen) wirklich Grenzen setzen und ihn in einer klaren Selbstbeschränkung zügeln (#105).“

Heute morgen las ich einen Artikel in einem der bekanntesten und einflussreichsten amerikanischen Journale für Religion und öffentliches Leben. Er endete mit dem Satz: „Ich bevorzuge den Ansatz von Johannes Paul II. und Benedikt XVI.“ Der ganze Artikel versucht eine Kluft zwischen Franziskus und seinen beiden Vorgängern zu schlagen. Ich kann nur sagen: schade! Ein höchst intelligenter Mann, der Verfasser … hat er nicht gemerkt, dass Franziskus seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. fast auf jeder Seite der Enzyklika zitiert? Jetzt steht es mir natürlich nicht zu, den Autor zu beurteilen, vielleicht hat er es ganz anders gemeint. Aber ich will auf eine Gefahr hinweisen: Wir Menschen haben die Fähigkeit, uns so sehr hinter den eigenen Mauern zu verbarrikadieren, dass uns nichts mehr aus unserer Selbstsicherheit herauslocken kann, nicht einmal ein Papst. Es kommt mir folgender Satz aus „Laudato si“ in den Sinn, mit dem Franziskus das weltumfassende, vorherrschende Paradigma der Moderne beschreibt: „Es ist, als ob das Subjekt sich dem Formlosen gegenüber befände, das seiner Manipulation völlig zur Verfügung steht.“ Das ist genau das Problem: Das „Ich“ ist das Zentrum der Welt. Nicht die Wirklichkeit bestimmt mehr die Wirklichkeit, sondern das Ich. Alles andere wird so gedreht oder manipuliert, bis es in das hineinpasst, was das „Ich“ will. Es geht nicht mehr darum, sich der Wirklichkeit zu stellen und sich den Möglichkeiten der Wirklichkeit zu fügen. Es geht darum, dass die Dinge mir das sagen, was ich will, was meiner Meinung entspricht, und vor allem, was meinen gegenwärtigen Lebensstil rechtfertigt. Franziskus ist ungemütlich. Er rüttelt auf. Er legt seinen Finger auf die Wunden und nennt Dinge beim Namen. In seinem Umgang mit Heuchelei verhält er sich ungefähr genauso wie sein Herr vor 2000 Jahren: Kompromisslos die Masken herunterreißen.

Sich der Wirklichkeit stellen, jeden Tag neu. Einen zähen Widerstand des Echten.
Das wünsche uns allen. Gottes Segen!

NB: Das war die Einleitung des österreichischen Regnum Christi Newsletter. Dieses Rundschreiben erscheint jeweils am 1. und 15. des Monats. Der Newsletter bietet den Leser einen Überblick über alle wichtige Ereignisse rund um das Wirken der Legionäre Christi und des Regnum Christi in Österreich. Mann kann ihn HIER abonnieren, man kann ihn aber auch jederzeit wieder abbestellen.

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