Das GUTE

Endlich oben auf der Ridge. Endlich über der Baumgrenze. Kein Bushwhacking mehr. Und es sollte auch langsam zu regnen aufhören. Wenigstens für ein paar Tage. Zwei Gegebenheiten sind Ausgangspunkte für unsere Überlegungen zum Thema „das Gute“. Vielleicht zwei kleine „Momente“, aber doch besonders wertvolle. „Das Gute“ wird oft genug mit der Moral assoziiert. Also mit moralischen Normen, „tu das“ oder „tu das nicht.“ Auf den ersten Blick scheint die Moral wie eine Art Zwangsjacke, die nicht die Freiheit des einzelnen in Betracht zieht. Vielmehr scheint Moral auf Unterdrücken durch irgendein politisches oder religiöses System hinzuweisen. Ein System, das von außen die Freiheit des Handelnden doch irgendwie einschränkt. Oder sogar kontrollieren oder manipulieren will.

 

Jeder auf unserer Reise bringt unterschiedliche Talente und Begabungen mit. Zwei unserer besseren Seiltechnikkenner sind Beni und Max. Die beiden kannten sich vor der Reise überhaupt nicht. Aber man darf beobachten, wie sich hier langsam eine Freundschaft einspielt. Immer wieder können sie entlang der Bergkämme ihre Seiltechnik-Kenntnis für das Wohl der Gruppe einsetzen. Hier leuchtet eines der Grundmerkmale des „Guten“ durch. Und zwar geht es um die Übernahme von Verantwortung für das, was mir geschenkt ist. Es ist interessant, dass eine der „Ursünden“ der jüdischen und christlichen Bibel die Geschichte von Kain und Abel ist. Durch die verschleierte Bildhaftigkeit des Textes leuchtet die Tatsache, dass Kain im Gegensatz zu Abel nicht das „Opfer“ gibt, was er hätte geben können. Er übernimmt nicht die Verantwortung für seine Gaben und Talente, macht nur halbherzig etwas draus. Und er ist eifersüchtig auf seinen Bruder Abel, der ihm einen Spiegel vor Augen hält und ihn daran erinnert, was er selbst hätte sein können.

 

 

Das Nichtübernehmen von Verantwortung, das nicht Zunutzemachen von dem, was einem geschenkt wird, definiert die Bibel als Sünde oder als Missbrauch der Freiheit. Es ist interessant, dass die Unterlassungssünde im Schuldbekenntnis des katholischen Gottesdienstes zuerst behandelt wird. Man bittet um Vergebung vor allem für das nicht getätigte Gute,