Noch ist alles ganz dunkel. Noch nicht einmal die Vögel haben zu zwitschern begonnen. 4.43 Uhr. Nichts bewegt sich. Ein kleines Licht beleuchtet das Kreuz und den Tabernakel. Für mich ist das die allerschönste Gebetszeit. Ganz in der Früh. Allein vor ihm in der Kapelle. Leider geht das nicht jeden Tag, aber heute darf ich hier sein. Ich lese soeben im 11. Kapitel des Johannesevangeliums. Genauer gesagt im Vers 40: „Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen!“ Ich weiß nicht, ob ihr das kennt. Aber es gibt Momente, wo dich das Wort Gottes besonders trifft. Heute ist das bei mir Joh 11,40. Herrlichkeit. Damals hieß das die Erweckung eines Toten, der Lazarus hieß. Diese Totenerweckung war aber nur ein kleiner Vorspann zu dieser ganz anderen Art von Auferstehung, die kurz nachher geschehen wird und die wir während dieser Tage feiern. „Wenn du glaubst!“ und soeben denke ich mir: Wie steht es denn mit deinem Glauben?
„Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit sehen.“ Aber nicht irgendeine Herrlichkeit, sondern die Herrlichkeit Gottes. Was heißt das? „Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch“, sagte einmal Irenäus von Lyon (†200). Gott will, dass wir leben, wirklich leben, in Fülle leben. Für alle Ewigkeit. (cf Joh 10,10) Gott zeigt seine Herrlichkeit an den Menschen. Macht Gottes. Größe Gottes. Die wird sich zeigen, in dieser Welt, in dieser Zeit, in dieser Kirche, in dieser Pfarre, in dieser Gemeinschaft, in dieser Bewegung, in dieser Familie, in dieser Stadt, in diesem deinem Leben und du wirst es sehen! … Wenn du glaubst.
Schon seit einigen Tagen beschäftigt mich das sehr: Wenn du glaubst! Auf die Frage der Jünger, warum sie einen gewissen Dämon nicht austreiben konnten, gab Jesus eine sehr einfache Antwort: „Weil euer Glaube so klein ist. Amen, das sage ich euch: Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort!, und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein.“ (Mt 17,20) „Weil euer Glaube so klein ist“. Mmmm. Aber ein Senfkorn Glaube kann Berge versetzen und laut Joh 11,40 wird nicht er nur im Jenseits, sondern schon in dieser Welt zum Einbruch der Herrlichkeit Gottes führen, ja sogar Totenerweckungen herbeiführen. Gut, da werden einige schmunzeln, so ähnlich wie damals in Athen: „Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, spotteten die einen, andere aber sagten: Darüber wollen wir dich ein andermal hören.“ (Apg. 17,32)
Aber abgesehen davon, dass man von wirklicher Totenerweckung nicht nur im Leben Jesu, sondern auch im Leben von manchen alten und neuen Heiligen hört – was einen Jesunachfolger nicht wundern sollte, wenn er wirklich glaubt, dass der Herr es ernst meinte mit dem „Wer an mich glaubt, wird die Werke, dich ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen“ (Joh 14,12) –, könnten wir nicht so einige Totenerweckungen gut brauchen? Ich denke da an so manche Aufbrüche in unserer Kirche, wo diese Totenerweckung schon vonstatten geht, gerade dort, wo man lebendigen Glauben vorfindet. Ich denke aber auch an so viel Not, die wir in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft, unserer Familien, von uns selbst vorfinden. Zuweilen sind diese Totenerweckungen aber weniger sichtbar. Letzte Woche durfte ich an einem einzigen Nachmittag miterleben und Gott loben und danken für seine Herrlichkeit, die sich in mehreren Menschen manifestiert hat, indem sie nach 30 bis 40 Jahren den Weg zu Gott zurück gefunden haben und geistlich wieder am Leben sind – auch wenn das erst ein ganz kleiner Kreis von Menschen mitbekommen hat. Ich bin Gott unendlich dankbar, das miterlebt haben zu dürfen, aber eben auch denjenigen gegenüber, die glaubten und deswegen auch beteten und fasteten, sodass sich diese Herrlichkeit zeigen konnte. Gott verbindet immer wieder die Offenbarung seiner Herrlichkeit mit dem Glauben von uns Menschen. Beeindruckend. Aber das ist doch auch zugleich ein Aufruf: Sollten wir nicht viel gewagter glauben? Sollte unser Glaube nicht viel wagemutiger werden? Wie anders würde unsere Welt aussehen!
Wir hier im Zentrum Johannes Paul II. beginnen am kommenden Wochenende eine neue Predigtserie, „Wagemutig glauben – das Rezept für Wunder“. Wir wollen uns gemeinsam damit beschäftigen, uns austauschen, uns in Kleingruppen auf den Weg machen und gemeinsam darüber nachdenken, was es eigentlich heißt und wie das eigentlich geht, wirklich zu glauben. Hier gibt es einen ersten Blogbeitrag zum Thema. Hier könnt Ihr dann die Predigten nachhören und eine Reihe an Ressourcen downloaden, die euch zur Verfügung gestellt werden und auf eurem eigenen Weg zu einem wagemutigen Glauben unterstützen können. Ein Vorschlag wäre es, in einer kleineren Gruppe – es reichen ein oder zwei Freunde, um eine Kleingruppe zu starten! – zum Beispiel die Predigten nachzuhören und sich danach anhand der zur Verfügung gestellten Ressourcen auszutauschen, gemeinsam darüber zu beten.
Einen wagemutigen Glauben, den wünsche ich euch allen! „Nichts wird euch unmöglich sein.“ Nichts. Ohne Ausnahme. Gottes Segen!
Das war übrigens die Einleitung zu unserem 15. tägigen Newsletter. Titelbild: © Subbotina Anna /de.fotolia.com