Das folgende Beispiel ist ein allgemeiner Lebensbericht, der Gottvertrauen ausstrahlt. Sehr schön kann man sehen, dass eine einfache Sprache die Botschaft der Hoffnung nur noch mehr glänzen lässt.
In meiner Kindheit merkte ich noch nichts von Gottes Liebe, denn die war nicht glücklich. Mein Vater starb, als ich elf Jahre alt war am dritten Schlaganfall. Ich kannte ihn nur als kranken Mann, nicht mehr ansprechbar für mich. Meine Mutter war eine gute, stille Frau, aufrichtig fromm, und damit hat sie mir auch das Wertvollste hinterlassen: als einzige Frau unter der ganzen evangelischen Verwandtschaft meines Vaters bestand sie auf ihrem katholischen Glauben, und damit bin auch ich heute katholisch. Im Übrigen waren meine Eltern schon sehr alt, als ich kam (45 und 66) (zweite Ehe meines Vaters). Von Erziehung wusste meine Mutter nicht sehr viel, wie konnte sie es auch, musste sie sich ja selbst nach dem frühen Tod des Vaters und
ohne Mittel mit 13 Jahren schon durchbringen. So war ich immer allein, ohne Geborgenheit. Das blieb auch später so, als wir in eine Kleinstadt zogen, wo meine Mutter ein kleines Haus geerbt hatte, im Krieg zu drei Viertel zerstört, das wir mit der winzigen Rente meiner Mutter und meinem ebenso winzigen Lehrlingsgehalt mühsamst wieder aufgebaut hatten. Die zehn Jahre meiner Lehrlingszeit in einem Fabrikbüro und danach waren – ja, ich getraue es mich heute wirklich zu sagen – fast wie die Hölle. Damals wurde man ja nicht gefragt, was man gern tun möchte, was für einen Beruf man möchte, da hieß es nur, irgendwie Geld zu verdienen. Das allerwenigste, was ich wollte, war Büroarbeit, und genau da landete ich.
Ach, heute kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen, wie damals das Leben war, im Krieg und die Jahre danach! So saß ich zehn Jahre lang in diesem Büro, wirklich oft verzweifelt,
nichts anderes möglich, ohne Arbeitsschutz, ohne Jugendschutz, ohne feste Arbeitszeit, Saisonbetrieb, ein Drittel des Jahres Überstunden bis in die Nacht. Damals merkte ich nichts von der Hilfe oder Nähe Gottes, ich fragte freilich auch nicht danach. Aber gerade damals „rührte sich Gott“. Durch einen kleinen Zufall kam ich einmal unversehens in die Wies, diese prachtvolle Rokokokirche bei Steingaden in Oberbayern. Als ich nach der kurzen Besichtigung wieder herauskam, konnte ich nicht verstehen, wie die übrige Gesellschaft im Omnibus wieder weiter lachen und scherzen konnte; mich hat die Schönheit dieser Kirche einfach umgeworfen, ich brachte kein Wort mehr heraus. Von da an war mein einziger Gedanke: die Wies. Es war noch nicht eigentlich Gott, es war einfach die Schönheit dieser Kirche, die mir den Atem nahm. Acht Tage später war ich wieder dort, mit dem Fahrrad (es war ziemlich weit).
Sonst änderte sich gar nichts, ich ging nach wie vor in mein Büro. Aber etwas war aufgewacht: ein brennendes Interesse an Gott, an unserem Glauben. So oft ich nur konnte, fuhr ich wieder in die Wies. Zu Ostern traf sich dort die Jugend für die Feier der Kar- und Ostertage, und ein begnadeter Priester war damals dort. Durch ihn lernte ich Gott, die Kirche, den Glauben
kennen. Freilich ging das langsam, aber ich konnte gar nicht genug hören, erfahren. Ich war heißhungrig nach all dem, es waren tiefste Erlebnisse. Und ich fing zu lesen an, Guardini vor allem, „Der Herr“ war mein Buch. Jahrelang ging das so. Klar, dass zuletzt der Gedanke
ans Kloster aufkam. Der erste Versuch war eine große Enttäuschung: ein karitatives Haus, ich fand dort Gott viel weniger als vorher sonst wo. Dann fand ich einen kontemplativen Orden, Klausurkloster, mit sehr hochstehender Spiritualität. Ja, das war es endlich – dachte ich. Aber gerade dort erfuhr ich und verstand ich, dass ich nicht dafür passte. Aber es war eine wertvolle Zeit, Exerzitien meines Lebens schienen mir später diese eineinhalb Jahre dort. Noch heute besteht eine gute und liebe Verbundenheit mit diesem Kloster. Und dort erfuhr ich auch die ersten und verblüffenden Erweise, wie Gott „im Hintergrund“ doch alle Geschehnisse lenkt, immer schon gelenkt hat. – Aber dann stand ich halt doch wieder draußen, ganz allein, ohne alles, denn meine Mutter war inzwischen gestorben und das Haus, das ich von ihr geerbt hatte, hatte ich praktisch verschenkt.
Von jetzt an ging mein Weg etwas im Zickzack. Ich hab wirklich Mühe, mir alle die nun kommenden Stationen so nacheinander wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ein paar Jahre München, Krankenhausverwaltung, dann Krankenpflegeschule, missglückt, dann aus
blauem Himmel ein Angebot nach Italien/Rom, Mitarbeit bei P. Lombardis Werk „Movimento per un Mondo Migliore“, (Bewegung für eine bessere Welt) dann zwei Jahre später Pfarrbüro in Stuttgart, wieder vier Jahre später Nachwirkung der römischen Zeit: Heirat mit
dem damaligen Haushandwerker, ebenfalls in „MMM“ (Movimento Mondo Migliore) und von da an in Saarbrücken. Noch 14 Jahre Lohnbüro in einem Kinderheim, was uns den Kauf unseres jetzigen kleinen Hauses ermöglichte, und dann – Ruhestand, Rente,Garten: Alleluja, Deo gratias! So dachte ich – aber Gott dachte anders: seither Krankheit, Schmerzen, nix Garten …
Wenn ich heute so überdenke, was alles war, wie viele Fehler dabei waren, wie viele – menschlich gesehen – Dummheiten! Und doch hat Gott alles nicht nur zugelassen,
sondern so gefügt, geführt! Alles hatte seinen Zweck, seinen Nutzen, aus allem hat er etwas gemacht. Alle Veränderungen, alle Entscheidungen in meinem Leben gingen natürlich von meiner Initiative aus, sei es, dass ich sie gesucht habe oder dass ich einfach nur ergriffen habe, was von außen auf mich zukam, aber ich wollte nichts erreichen, ich hatte keinen Lebensplan. Ich überließ Gott die Führung. So hab ich bei allem, was ich wollte und tat, immer dazugedacht:
„Wenn du es so willst, Gott, dann lass es werden, lass es gelingen, aber bitte verhindere es, wenn du es nicht willst!“ Manches hat er dann verhindert, aber vieles war einfach wie eine offene Tür vor mir, und ich bin durchgegangen, ohne viel zu wissen, was dahinter kam. Eine passive Lebenseinstellung, ein Sichtreibenlassen? Vielleicht. Aber die schwierigen Lebensabschnitte
waren dann doch immer nützlich und lehrreich, die schönen – z.B. die römische Zeit oder
jetzt meine Ehe – übergenug Grund zu großer, großer Dankbarkeit. So kann ich nicht einzelne Punkte nennen, wo Gott besonders geholfen hat, sondern alles war Fügung, Führung.
(oder doch ja, vielleicht kann ich diesen Punkt erwähnen: Unser Haus hat uns Gott direkt nachgeworfen. Es wurde uns eineinhalb Jahre nach unserer Hochzeit, nach der Mietwohnung, angeboten. Ich dachte: zu früh, viel zu früh! Wir hatten zwar zwei Bausparverträge, die aber bei weitem nicht reichten. Das Haus war verlottert, aber die Lage war so schön, und ein Garten, ein Garten! Und dann kam ein Schritt nach dem andern, ich wusste fast nicht wie. Wir konnten die
Bausparverträge aufstocken, immer wieder reichte es gerade. Sparen, ja das konnte ich von früher, und so hatten wir ein Jahr später das Haus, haben es dann noch vier Jahre lang mit eigener Arbeit renoviert, und heute sind wir so glücklich darin!)
Und jetzt bin ich eben krank. Vor gut 18 oder 20 Jahren ganz plötzlich große Muskel- und Gelenkschmerzen, Autoimmunkrankheit nannte es der Arzt, nach mehrjähriger Cortison-Therapie war’s nicht weg, heute eine ausgewachsene Arthrose, ich kann nur noch schwer laufen. Dann vor drei Jahren ein Herzinfarkt, zweimal Schrittmacher, weil der erste nicht funktionierte. Und was Neues dazu: RLS (Restless Legs Syndrom), dauernder unbeherrschbarer Bewegungsdrang,
also nicht gerade förderlich für Ausruhen und Schlaf. Dazu eine unendliche Müdigkeit, teils durch die Krankheit selbst, teils als Nebenwirkung der notwendigen Parkinson-Medikamente (aber Gott sei Dank, dass es die überhaupt gibt). Es ist nicht heilbar, nur etwas zu lindern.
Aber sollte ich nun Gott bitten, dass er mich heilt? Das habe ich noch nie getan, es wäre ja auch vollkommen unlogisch. Wenn ich überzeugt bin, dass Gott nie etwas Falsches macht, dass alle Dinge zu unserem Besten sind, dann das jetzt doch ebenso! Und ich meine schon etwas zu merken, dass auch das jetzt zu Gutem führt: ich weiß nicht, ob ich auf anderem Weg zu einer
solchen Nähe und Verbindung mit Gott gefunden hätte. Und helfen tut Gott doch auch jetzt: Wie bin ich so froh um meinen Mann! Er ist, nach einer Hüftgelenksoperation, noch gesund, er macht alles daheim, im Haushalt und Garten, was ich nicht mehr machen kann. ohne ihn wüsste ich nicht recht, wie es weitergehen sollte. Also wieder: Gott hilft immer weiter!
Diese Serie “Von Gott erzählen” entstammt seinem Buch, „Von Gott erzählen – Anleitungen zu einem lebensnahen Glaubenszeugnis“. (Bild: Pixabay; Stand 24.03.2015)