Müde bin ich. Und überfordert. Oder unterfordert. Und gefordert auch noch. Es ist so eine komische Zeit. Ich halte es nicht mehr aus. Angst ist da. Resignation vor einem dunklen Nebel, in dessen Mitte man nie weiß, wie lange man noch darin stecken wird. Die Ungewissheit über die Zukunft zerrt an den Nerven. Wie wird die Welt nach Corona ausschauen? Keine Ahnung. Aber sicherlich nicht so wie davor. Die Konspirationstheorien mehren sich und werden immer abstruser.

Gestern durfte ich mit einem Ehepaar sprechen, das sich vorgenommen hat, sich nicht länger als etwa eine halbe Stunde pro Tag mit Corona auseinanderzusetzen. Ein Stückchen mentale Hygiene. Keine schlechte Idee. Die Gefühle von oben sind übrigens nicht alle meine. Wenigstens die Angst nicht. Keine Ahnung, warum. Auf meinem Mist ist das definitiv nicht gewachsen. Womöglich ist das ein besonderes Geschenk des Himmels. Oder hoffnungslos übertriebener Optimismus. Ich glaube immer noch daran, dass Gott aus alledem etwas Großartiges schaffen wird. Oder um mit dem hl. Thomas Morus zu sprechen: „Was immer er aber will, so schlimm es auch scheinen mag, es ist für uns dennoch wahrhaft das Beste.“ Der Katechismus der Kirche sagt es so: „Das Zeugnis der Schrift lautet einstimmig: Die Fürsorge der Vorsehung ist konkret und unmittelbar; sie kümmert sich um alles, von den geringsten Kleinigkeiten bis zu den großen weltgeschichtlichen Ereignissen.“ (#304)

Ich verstehe schon, was du jetzt sagen willst. Und ja, es stimmt! Gott will nicht das Schlechte. Gott will nicht das Leid. Gott will nicht den Tod. Gott will aber auch die Freiheit. Gott will uns in die Gemeinschaft mit ihm führen. Gott will uns die Fülle am Leben schenken. Und für ein in eine Schieflage geratenes Herz geht das nur durch die Erlösung eben dieses Herzens. Das Herz muss gesunden. Das Herz bedarf der Reinigung. Das Herz bedarf des Karfreitags, sodass es Ostersonntag werde. Nein. Gott will nicht das Leid des Unschuldigen. Und doch. Der Unschuldige schlechthin hängt am Kreuz. Geheimnis des Glaubens. Geheimnis des Lebens. Geheimnis von Tod und Auferstehung. Geheimnis der Macht eines fürsorgenden Gottes, der auch aus dem Schlimmsten das Beste hervorbringen kann. Nicht, weil das Schlechte auf einmal doch irgendwie notwendig oder sogar im Letzten doch gut wäre, sondern weil Gott gut ist.
Ich gehe gerne den eigenen Weg. Und doch muss ich immer wieder schmerzhaft lernen, dieser Weg befreit nicht, wenn er nicht in Gemeinschaft mit ihm gegangen wird. Freiheit kommt aus einer Beziehung des Vertrauens mit dem, der selbst der Weg ist. Leben ist in ihm zu finden. Aber dafür muss ich sterben. Mein Gottesbild. Mein Menschenbild. Und so ziemlich alles dazwischen. In allem, wo diese Dinge krankhaft sind. Wo sie von der Lüge geprägt werden. Daher muss ich mich und mein An-mir-selbst-hängen-Wollen, meinen Egoismus, mein Besser-als-Gott-Wissen, loslassen. So finde ich mich selbst. In der Geborgenheit in ihm. Egal, was geschieht. Egal, was ist. Je stärker der Sturm, desto stärker die Hand, die mich festhält.

Glaube und Unterscheidung

Oder ich versuche es, nochmal anders zu sagen. Ein Wort an alle, die das lesen und für die das Evangelium, der Glaube, die Kirche nicht einfach wurscht sind. Und da spreche ich mich natürlich zuallererst selbst an. Was wir jetzt wirklich brauchen, ist ein Zeugnis davon, dass wir wirklich an Gott glauben und nicht einfach jene Rosinen aus diesem Glauben herauspicken, die uns gerade passen. Und das meine ich eben ganz konkret in Bezug auf die Situation selbst, in der wir uns befinden. Die Chinesen sind schuld. Bill Gates ist schuld. Die Bischöfe sind schuld. Der Papst hat versagt. Die Regierungen wollen uns versklaven. Und was auch immer man sonst noch so auf YouTube an Gründen finden kann. Und man wird bitter. Entmutigt. Frustriert. Hart. Nachtragend. Zynisch. Vielleicht sogar verzweifelt. Und vielleicht treffen nicht alle diese Adjektive zu, es reichen schon ein paar. Zeichen des Ungeistes. Unterscheidung der Geister 1.0. Kokettieren mit dem Teufel selbst.

Und auch wenn das alles wahr wäre, was es da an Gründen für unsere derzeitige Situation geben könnte, die Frage bleibt: Glaubst du? Oder siehst du doch alles allzu menschlich? Als hätte sich Gott zurückgezogen oder, wie der Prophet Elija den Priestern des Baals in Bezug auf deren Götzen zurief, „vielleicht ist er verreist“? (Vgl. 1 Kön 18,27) Paulus und Silas sangen Lobpreislieder im Gefängnis. Gut. Das ist großes Kino. Aber das ist Glaube. Glaube ermöglicht uns in einer anderen Liga zu spielen, weil wir alles in dem können, der uns die Kraft gibt, weil wir Gott wirklich zutrauen, Gott zu sein, weil wir wirklich alles von ihn erhoffen und alles von ihn annehmen. „Herr, ich gebe, was du nimmst und nehme, was du gibst.“ (Hl. Teresa von Kalkutta)

Ja! Einverstanden, vieles in unserer Welt entspricht ganz und gar nicht der Frohen Botschaft. Steht ihr sogar aggressiv gegenüber – oder einfach gleichgültig. Das war auch schon vor Corona so. Aber du und ich sind nicht dafür zuständig, die Probleme der gesamten Welt zu lösen. Gott hat viel mehr Interesse an dieser Welt, als wir es jemals haben könnten. Und er bleibt Gott. Auch jetzt. Auch nach der Schließung unserer Kirchen. Wie gut es das alte Gebet auf dem Punkt bringt: Herr, gib mir die Kraft, das zu ändern, was ich ändern kann, zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Glaube und Auftrag

Ein typisches Ablenkungsmanöver des Widersachers besteht in der Versuchung unter dem Anschein des Guten. Ein genialer Schachzug ist es, seine Patienten dazu zu bringen, sich mit Dingen zu beschäftigen, auf die sie null Einfluss haben, um letztlich das zu vernachlässigen, was sie im Hier und Jetzt sehr wohl tun könnten.

Ich bin der Erste, der für große Visionen plädiert. Ja, unser Glaube sollte uns dazu bringen, Dinge auf die Beine zu stellen, die nur dann eintreten können, wenn Gott auftaucht und mitmacht. Aber das verlangt auch einen Weg der Unterscheidung, des Hinhörens auf den Geist des Herrn. Und der führt IMMER zu mehr Glaube, mehr Hoffnung und Zuversicht, mehr Liebe. Aber Frustration, Entmutigung, paralysierende Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, weniger Glaube, weniger Hoffnung, weniger Liebe hingegen sind kristallklare Merkmale des Ungeistes.

Ein bisschen weniger YouTube und Besserwisser-Blogbeiträge, ein wenig mehr Bibel oder den einsamen Menschen in der Nachbarschaft anrufen, ein Wort der Ermutigung oder des Trostes, oder einfach mal ein Onlinekonzert oder ein Spaziergang oder ein gutes, erbauliches Buch oder eine Unterhaltung über ein Die-Welt-geht-nicht-unter-Thema könnte uns allen da guttun. Oberflächlichkeit ist das eben genau nicht. Der Geist Gottes baut auf. Inspiriert zur Heiligkeit. Dazu sollten wir uns auch gegenseitig inspirieren. Gerade jetzt.

Vielleicht geht es gar nicht so weit. Vielleicht bin ich nur müde. Vielleicht will ich einfach endlich mal wieder meine Freunde sehen oder einer Messe wirklich beiwohnen und diese nicht nur via Stream verfolgen. Vielleicht geschieht dies auch deswegen, weil mir bewusst wird, was da in der Messe eigentlich wirklich abgeht – und dass es sich lohnt, alles einzusetzen, um dabei sein zu können. Vielleicht bin ich einfach frustriert, weil ich mit einer Situation, die ich nicht kontrollieren und vor allem nicht einfach ändern kann, für sehr lange Zeit konfrontiert werde. Ich kann nicht aussteigen oder „Stopp, zurück zum Start!“ drücken oder irgendwo hinfliegen, mich der Situation entziehen oder flüchten. Aber gerade das ist eine geniale Gelegenheit. Wenn ich sie mit dem Glauben sehe. Durchhalten lernen. Geduld. Vertrauen. Glaube an Gottes Allmacht, die eine Macht der Liebe ist. Zeuge der Hoffnung sein. Mut schenken. Sagt sich so leicht. Jetzt haben wir die Gelegenheit, es zu üben. Glauben wir?

Gottes Segen,
P. George LC

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