Keine verborgenen Absichten. Kein Lobbying. Das war eines der klarsten Anzeichen für die spirituelle Tiefe und Reife der Delegierten. Die Atmosphäre des Gebets konnte man während der gesamten Woche spüren. In der vergangenen Woche fand der erste ordentliche Generalkonvent der „Regnum Christi Föderation“ in Rom statt. Das Zentrum Johannes Paul II. steht in der Trägerschaft des Regnum Christi und wird in dessen Geist und gemäß dessen Prinzipien geführt. Ich durfte als einer von 3 Priestern der Legionäre Christi unsere Ordensprovinz (auch Territorium genannt) Zentraleuropa repräsentieren. Bei der Versammlung kamen 115 Delegierte und 5 eingeladene Gäste aus aller Welt zusammen, aus jeden der drei föderierten Institutionen, so wie die assoziierten Laien: Priester der Legionäre Christi, Gottgeweihte Frauen, Gottgeweihte Männer, Laienmitglieder. Mehrere Jahre hat der Weg dorthin gedauert. Für mich persönlich war es der Beginn eines neuen Kapitels unserer Gemeinschaft. Nach der an die Öffentlichkeit gekommenen Offenbarung des Doppellebens des Gründers in 2006 und dem fast 20 Jahre dauernden Erneuerungsprozesses, war es die erste „ordentliche“ Versammlung der Familie. Die Ausrichtung konnte dezidiert auf unseren Auftrag in der Welt schauen, statt sich primär mit internen Problemen beschäftigen zu müssen.

Für mich war es eine sehr bereichernde Begegnung. Eine ganze Woche konnten wir gemeinsam beten, uns austauschen, aufeinander hören… wohin führt uns der Herr in den nächsten 6 Jahren? Wo sollten wir unsere Prioritäten legen? Gar nicht so einfach bei einer doch sehr, trotz den Krisenjahren, gewachsenen Familie. Allein im schulischen und akademischen Bereich sind es heute immerhin um die 150.000 Schüler und Studenten in unseren Schulen und Universitäten, wenn man die „helfende Hand“ Schulen für Sozialbedürftige und die kirchlichen Unis hinzurechnet, sind es um die 175.000 – geschweige von vielen anderen Bereichen, wo wir heute als Gemeinschaft tätig sein dürfen.

Die Methode war die eine der „Unterscheidung der Geister“ in einer Gruppe. Oder anders, es war eine Erfahrung echter Synodalität. Auch wenn etwas vereinfacht dargestellt, diese Unterscheidung geht so. Man versucht in eine Haltung der (um mit dem hl. Ignatius von Loyola zu sprechen) „santa indiferencia“ (eines „heiligen Gleichmuts“ oder einer Haltung der radikalen Verfügbarkeit) zu kommen. Das bedarf einer echten spirituellen Reife aller Teilnehmenden, um nicht das Eigene zu suchen, sondern wirklich offen zu sein für das, was der Herr will. Es ist zugleich ein Geschenk, wofür man bittet…deswegen war es so schön zu sehen, wie die ganze Woche eine Woche des Gebets gewesen ist, man eine tiefe Gebetsatmosphäre atmen konnte. Denn, wenn in der Gruppe jemand seine Meinung zu einem Thema sagt, versucht man ihn nicht niederzureden, sondern erst mal hinzuhören, was seine/ihre Meinung mit mir innerlich macht. Ob es innerlicher Widerstand, oder doch Friede und Klarheit versursacht hat, und dann das in der Gruppe zu teilen. Dann versucht man zu unterscheiden, wo der Geist Gottes sich gerade im Raum bewegt. Das ist eine sehr spannende und sehr bereichernde Vorgehensweise. Wir durften Momente des Nebels erfahren, der Dunkelheit, Momente, wo wir unsere Pläne und Gedanken wieder über Bord geworfen haben, dann aber doch erstaunliche Einheit und Klarheit, Frieden im Geist. Wenn wir nichts Anderes in den kommenden 6 Jahren tun, als dass jeder aus Rom zurückkehrt und diese Vorgehensweise der echten Unterscheidung in seine Lebenswelt zurückbringt, dann wird es ein guter Generalkonvent gewesen sein.

3 Prioritäten:

Auch wenn wir aus sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen kommen, von Hongkong über Manila, Santiago de Chile, New York, Paris und Krakau, haben wir doch drei Hauptausrichtungen unterscheiden können, wo wir den Schwerpunkt in den nächsten sechs Jahren setzten wollen:

+ Die Verpflichtung eingehen, nach dem Beispiel der ersten Christen, Gemeinschaften von Aposteln im Aufbruch zu sein und zu bilden,

+ Förderung von einer Berufungskultur: Begleitung auf einem Weg zur Fülle der eigenen von Gott gegebenen Berufung (Jüngerschaft),

+ und die Förderung der Ehe- und Familienpastoral.

Außerdem wollen wir uns weiterhin um unsere Kultur kümmern, indem wir uns gegenseitig helfen, drei Versuchungen zu vermeiden und zugleich uns dezidiert für eine evangeliumsgemäße Antwort auf die Herausforderungen und Möglichkeiten unserer heutigen Zeit bemühen, und zwar in 4 Bereichen.

In diesem Sinne fand ich es interessant, dass wir im Zentrum Johannes Paul II. das Buch „Reset Church“ übersetzen haben lassen. Denn das Buch schlägt in dieselbe Kerbe, wenn dort behauptet wird, dass wir uns in einer Großwetterlage befinden, die es seit 1700 Jahre nicht mehr gegeben hat. Und diese Lage bedarf nicht nur kleinere Änderungen unserer Pastoral, sondern eine gewisse Radikalität im Ansatz, ein Art Paradigmenwechsel. Das haben wir versucht in Rom so auszudrücken:

  1. Auf der Glaubensebene: Von einer allzu menschlichen Hoffnung, zu einer radikal in Christus verankerten Hoffnung. Wie oft ist es doch so, dass man schon irgendwie auf dem Herrn vertraut, dass er unser menschliches Bemühen segne. Wenn doch der eigentliche Ansatz sein sollte zu schauen, was segnet der Herr, wie können wir mitmachen. Das Eigentliche sollte doch sein, zu unterscheiden, wo bewegt er sich, wo will er, dass wir uns hinbewegen, und dann das radikale Vertrauen auszuüben, dass er durch unserer Schwachheit und Unzulänglichkeit wirken wird.
  2. Auf der charismatischen Ebene: Von der Abhängigkeit von den gottgeweihten Zweigen zu einem Charisma, das von allen angenommen und gefördert wird. Wir wollen unsere Beziehung miteinander mehr vom Charisma her und weniger aus der jeweiligen Rolle leben. Natürlich hat jeder seine Rolle. Und doch geht es um den gemeinsamen Auftrag, ein gemeinsames Ownership, die Überwindung von einem ungutem Autoritätsgefälle (nichts gegen Autorität!), die zu einem Konsumentenverhalten führt, wo die Gottgeweihten die Dienstleister, die Laien die Konsumenten sind. Wir wollen uns gegenseitig bereichern, uns gemeinsam inspirieren und unterstützen im Hinhören auf die Einladung des Herrn, unseren gemeinsamen Auftrag zu erfüllen.
  3. Auf der methodologischen Ebene: Von der Betonung von Handbüchern und Modellen zur Betonung auf Unterscheidungs- und Anpassungsvermögen. In einem volkskirchlichen Zeitalter war das nicht so notwendig. Es war mehr oder weniger klar, was zu tun war. Es hat in der Vergangenheit funktioniert, warum auch nicht in der Zukunft? Wir wollen nicht einheitliche Modelle auf der gesamten Welt fahren. Vielmehr geht es darum, Klarheit in den Prinzipien zu haben (zB typische Prinzipien des Regnum Christi wie die Ausbildung von Aposteln, Treue zur Kirche, Christus im Zentrum, ganzheitliche Ausbildung, Personen über Programme, Hinhören auf den Geist, ein Tun das sich aus der Kontemplation nährt usw.), eine große Flexibilität in deren Anwendung vor Ort. Und das ist wieder das Thema der Unterscheidung, ein wirkliches Hinhören auf den Geist Gottes.
  4. Auf der pastoralen Ebene: Von der Seelsorge für die Menschen „zu Hause“ zur Seelsorge für die Menschen draußen und an den Wegkreuzungen. Es geht darum, von Jesus zu lernen, die neunundneunzig Schafe zurückzulassen, um das Eine zu suchen, im Wissen darum, dass das Beste für die 99 es sein wird, sich vom Meister inspirieren zu lassen und sich mit ihm auf dem Weg zu machen, sich zuzurüsten und zugerüstet zu werden, um selbst Hirte zu werden. Es geht darum weg zu kommen von einer Pastoral der Bewahrung hin zu einer Pastoral der Mission.

Dabei wollen wir drei Versuchungen vermeiden, die wir mit der Versuchung des „Bunkers“, der Versuchung der Nostalgie und der Versuchung des „Welt-werdens“ umschrieben haben.

Das gesamte Kommuniqué kann man hier lesen. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit in Rom, die ich als Bestätigung für unseren eingeschlagenen Weg in Wien sehe. Zugleich fühle ich die gesunde Herausforderung, dass wir als Gemeinde weiterhin einen echten Weg der Unterscheidung gehen und schauen, dass auch wir ein Ort sein dürfen, wo Menschen zur Fülle ihrer Berufung heranreifen dürfen, wo wir immer mehr zu einer echten Gemeinschaft von Aposteln werden und wo wir einen besonderen Stellenwert der Familienpastoral schenken.

Gotttes Segen!

Hier ein Eindruck von den Tagen in Rom (English)