Fiducia Supplicans. Flehendes Vertrauen. Es wird lebhaft über das Dokument aus Rom diskutiert. Wie stehen wir als Zentrum Johannes Paul II. dazu? Wir stehen, in diesem Fall wie auch in anderen Fällen, für die Treue zum Evangelium und zur Kirche. Und das heißt ganz konkret, dass den Dokumenten aus dem Vatikan erstmals mit einer Hermeneutik des Wohlwollens begegnet wird. „Ihr lest diese Dokumente aber doch wieder nur im Licht der Tradition und der Lehre der Kirche?“ Ja, das tun wir. Wie sollen wir sie denn sonst lesen?
Zum Thema ist schon viel geschrieben und gesagt worden. Eine Perspektive, die ich begrüße, ist die von Bischof Stefan Oster, diese findet man hier. Ich finde auch einen Kommentar auf „Word on Fire“ hilfreich. Das ist ein von Bishop Robert Barron gegründetes Apostolat aus dem englischen Sprachraum. Er ist auch der Vorsitzende des US-Bischofskonferenz-Komitees zum Thema Familie und hat eine kurze Erklärung zum Thema für die Bischofskonferenz verfasst, die man hier lesen kann. Ich habe mir erlaubt, einen Artikel von Word on Fire zum Thema Fiducia Supplicans zu übersetzen, das Original findet man hier. Es folgt die Übersetzung.
Gottes Segen! P. George Elsbett LC
Klarheit inmitten von Konfusion: ein Zugang zu „Fiducia Supplicans“
Darin liegt eine traurige Ironie der Tatsache, dass eine Erklärung, die wiederholt dazu aufruft, ihre Richtlinien so umzusetzen, dass „Skandal und Verwirrung“[i] vermieden werden, selbst von großer Verwirrung umgeben und – zumindest in den Augen einiger – das Gesicht des Skandals geworden ist. Ein Teil der Verwirrung liegt in der inhärenten Mehrdeutigkeit von Wörtern, die unterschiedliche Bedeutungen haben. Wenn Menschen die Schlagzeile eines Nachrichtenartikels lesen, in dem es heißt: „Papst Franziskus befürwortet die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare“, kann es leicht passieren, dass man einen falschen Eindruck davon bekommt, was tatsächlich passiert ist.
Das Wort „Segen“ kann verschiedene Bedeutungen haben. Was das Dokument als „aufsteigende“[ii] Segnungen beschreibt, ist, wenn Menschen Gott loben. Aber wir segnen Gott sicherlich nicht auf die gleiche Weise, wie Gott uns segnet. Letzteres ist ein „absteigender“[iii] Segen, in dem Gott uns seine Gnade schenkt. Darüber hinaus gibt es die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs Segen, was bedeutet, jemandem seine Zustimmung zu erteilen. Dies ist der Sinn des Begriffs, der verwendet wird, wenn Eltern ihrem Kind den Segen für die Heirat geben. Manchmal können Sinn zwei und Sinn drei kombiniert werden. Im Eheritual zum Beispiel kann der Priester oder Diakon die Vereinigung von Mann und Frau segnen, indem er sowohl die Zustimmung der Kirche zu ihrem Ehebund gibt als auch Gott bittet, ihm seine Gnade zu senden, damit er ihnen hilft, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
Die gegenwärtige Verwirrung rührt daher, dass Menschen denken, dass die dritte Bedeutung des Segens (Genehmigung) entweder die primäre Bedeutung ist oder zumindest gleichzeitig mit der „absteigenden“ Bedeutung des Segens gleichgeschlechtlicher Paare impliziert wird. Dies würde darauf hinauslaufen, dass Papst Franziskus romantische gleichgeschlechtliche Beziehungen gutheißen und/oder einen absteigenden Segen aussprechen würde, weil solche Beziehungen mittlerweile geduldet werden. Das wäre in der Tat im Widerspruch zum katholischen Glauben und daher skandalös. Wie der Katechismus der katholischen Kirche lehrt: „Skandal ist eine Einstellung oder ein Verhalten, das einen anderen dazu verleitet, Böses zu tun“ (§2284) und oft beinhaltet, anderen den Eindruck zu vermitteln, dass etwas, das sündig ist, nicht sündhaft ist.
Es „soll in der Tat nichts legitimiert werden“
Wie bereits erwähnt, ist sich die DDF -Erklärung (Dicasterium pro doctrina fidei, Dikasterium für die Glaubenslehre) „Zur pastoralen Bedeutung von Segnungen“, Fiducia Supplicans, der Möglichkeit eines Skandals bewusst, wenn gleichgeschlechtlichen Paaren Segen auf unzulässige Weise gewährt wird, und sagt ausdrücklich, dass ein solcher Skandal vermieden werden muss. Zum Beispiel heißt es: „In jedem Fall, gerade um jedwede Form von Verwirrung oder Skandal zu vermeiden, wenn ein solches Segensgebet von einem Paar in einer irregulären Situation erbeten wird und dies außerhalb der von den liturgischen Büchern vorgeschriebenen Formulare geschieht, wird ein solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden können. Dies gilt auch für die Kleidung, die Gesten und die Worte, die Ausdruck für eine Ehe sind. Dasselbe gilt, wenn die Segnung von einem gleichgeschlechtlichen Paar erbeten wird.“[iv]
In diesem Zusammenhang wird in der Erklärung deutlich, dass die oben erwähnte dritte Bedeutung des Segens – der Segen der Anerkennung – von der Betrachtung ausgeschlossen ist. Darin heißt es, dass, wenn ein „absteigender“ Segen von gleichgeschlechtlichen Paaren beantragt wird, das Szenario, in dem ein Segen gegeben werden könnte, eine Situation ist, in der diejenigen, die ihn beantragen, „nicht die Legitimation ihres eigenen Status beanspruchen“ und „die sich als mittellos und seiner Hilfe bedürftig erkennen.“[v] Ebenso heißt es, dass ein solcher Segen „nicht den Anspruch erhebt, irgendetwas zu sanktionieren oder zu legitimieren.“[vi] Das Dokument bekräftigt diesen Punkt weiter und verkündet, es „soll in der Tat nichts legitimiert werden.“[vii] Das Dokument billigt also keine romantischen gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Tatsächlich heißt es in dem Dokument gleich zu Beginn, „dass die Kirche nicht befugt ist, gleichgeschlechtlichen Verbindungen den Segen zu erteilen.“[viii]
Hier liegt meiner Meinung nach ein weiterer Grund für die Verwirrung: die Unterscheidung zwischen der Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares und der Segnung ihrer Verbindung. Was bedeutet es, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, aber nicht ihre Vereinigung? Wenn Sie ein Paar segnen, segnen Sie dann nicht auch die gleichgeschlechtliche Beziehung? In diesem Fall: nein! Und das ist es, was für die Menschen verständlicherweise schwer zu verstehen ist. Es ist nicht intuitiv offensichtlich, dass man ein Paar segnen kann, ohne seine Verbindung zu segnen oder zu dulden.
Von was für einem Segen reden wir dann überhaupt? Was ist der Zweck? Das Dokument beschreibt, um welche Art von Segen es sich dabei handelt: „Diese Formen des Segens sind Ausdruck der Bitte an Gott, jene Hilfen zu gewähren, die aus den Anregungen seines Geistes hervorgehen – die die klassische Theologie „helfende Gnaden“ nennt –, damit die menschlichen Beziehungen in der Treue zur Botschaft des Evangeliums reifen und wachsen, sich von ihren Unvollkommenheiten und Schwächen befreien und sich in der immer größeren Dimension der göttlichen Liebe ausdrücken können.“[x] Der Begriff ´helfende Gnade´ wird im Katechismus so definiert: Helfende Gnaden beziehen sich auf dem „göttlichen Eingreifen, zu Beginn der Bekehrung oder im Verlauf des Heiligungswerkes“ (§2000).
Helfende Gnade ist im Gegensatz zur habituellen Gnade (die ein bleibendes Geschenk ist, eine übernatürliche feste Neigung, die die Seele vervollkommnet, um sie zu befähigen, mit Gott zu leben und aus seiner Liebe zu handeln) die göttliche eingreifende Hilfe, die einem hilft, das Richtige zu tun. Auch wenn jemand durch schwerwiegende Sünde die habituelle Gnade (auch „heiligmachende Gnade“ genannt) verloren haben soll, greift Gott weiterhin im Leben des Menschen durch die helfende Gnade ein. Nur so ist Bekehrung überhaupt möglich.[xa] Ein solcher Segen wird also denen zuteil, die erkennen, dass sie darum kämpfen, das Richtige zu tun, und Gott um die Gnade bitten, das Richtige zu tun. So heißt es in der Erklärung: „In dem kurzen Gebet, das diesem spontanen Segen vorausgehen kann, könnte der geweihte Amtsträger für sie bitten, … um Gottes Licht und Kraft, um seinen Willen voll erfüllen zu können.“[xi] Ein solcher Segen kommt zu Gott, um „Hilfe für ein besseres Leben zu erbitten und auch den Heiligen Geist anzurufen, damit die Werte des Evangeliums mit größerer Treue gelebt werden können.“[xii]
„Um diesen Skandal zu vermeiden, müssen Pfarrer und andere Geistliche sicherstellen, dass das, was sie von Gott erbitten, göttlicher Beistand ist, um Buße zu tun und dem Evangelium treu zu bleiben.“
Was bedeutet das alles letztendlich? Im Wesentlichen bedeutet es, dass die Kirche auf die Anfrage von Menschen, die sich in objektiv sündigen und ungeordneten Situationen befinden (entweder gleichgeschlechtliche Beziehungen oder andere unregelmäßige Situationen, wie zum Beispiel geschiedene und ungültig „wiederverheiratete“), mit einem Gebet um Gottes Hilfe für sie, um die Sünde zu überwinden, ein heiligeres Leben zu führen und sogar „zu einem größeren Verständnis seines Plans der Liebe und der Wahrheit geführt zu werden“.[xiii]
Menschen in solchen Situationen wissen vielleicht oft, dass ihre Beziehung sündhaft ist, haben es aber schwer zu verstehen, warum, oder haben Mühe, die Kraft zu finden, die Situation zu korrigieren. In dem Dokument wird wiederholt erwähnt, dass sich die Bitte an diejenigen richtet, die mit Demut vorgehen und erkennen, dass sie angesichts ihrer Sündhaftigkeit göttlichen Beistand benötigen, und nicht an diejenigen gerichtet ist, die eine Legitimierung ihres sündigen Verhaltens anstreben. Ähnliche Segnungen werden denjenigen zuteil, die mit einer Sucht zu kämpfen haben und Hilfe bei der Überwindung ihrer Sucht suchen, und nicht denjenigen, die ihre Sucht rechtfertigen wollen. In solchen Fällen wird die Tatsache, dass eine Person an einer Sucht leidet, nicht gesegnet oder gefeiert, sondern die gestörten Umstände sind ein relevanter Faktor für die Art der Segnung, die angeboten wird, und für den Zweck einer Segnung, die einem Süchtigen zuteil wird. Allerdings gibt es formelle Segnungen für Menschen, die mit einer Sucht zu kämpfen haben, was dieses Dokument für gleichgeschlechtliche Paare verbietet. Die hier behandelten Segnungen sind eine Reaktion auf spontane Anfragen und daher dürfen keine ritualisierten Versionen gegeben werden.[xiv]
Die berechtigte Sorge einiger Katholiken besteht darin, dass diese differenzierten Erklärungen in der Praxis nicht in allen Fällen offensichtlich sein werden. Es besteht die Sorge, dass Paare ohne die im Dokument vorgesehenen und dargelegten angemessenen Bestimmungen um Segnungen bitten und/oder dass Geistliche solche Segnungen in einer Weise erteilen könnten, die im Widerspruch zu dem steht, was im Dokument tatsächlich steht. Mit anderen Worten: Es ist zu befürchten, dass es zu Missbräuchen kommt, die den Eindruck erwecken, dass homosexuelle Aktivitäten oder unregelmäßige (gleichgeschlechtliche oder andere) Beziehungen selbst gebilligt werden. Um diesen Skandal zu vermeiden, müssen Pfarrer und andere Geistliche sicherstellen, dass das, was sie von Gott erbitten, göttlicher Beistand ist, um Buße zu tun und dem Evangelium treu zu bleiben. Jede Form der Segnung, die den skandalösen Eindruck erweckt, gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien erlaubt, stellt einen direkten Verstoß gegen die DDF-Erklärung dar. Diese Tatsache muss klargestellt werden, sonst kommt es zu Skandal und Verwirrung gegen den ausdrücklichen Willen des Heiligen Stuhls.
Dr. Richard DeClue
Richard G. DeClue, Jr., S.Th.D. ist Professor für Theologie am Word on Fire Institute. Zusätzlich zu seinem Bachelor-Abschluss in Theologie (Belmont Abbey College) erwarb er drei kirchliche Abschlüsse in Theologie an der Catholic University of America.
[i] Siehe Dikasterium für die Glaubenslehre [fortan DDF], Fiducia Supplicans, Erklärung (18. Dezember 2023), §§ 30 und 39.
[ii] Siehe ebd., §§ 15, 17-18, 29 und 31.
[iii] Siehe ebd., §§ 15, 17-18 und 30-31.
[iv] DDF, Fiducia Supplicans, §39.
[v] Ebd., §31.
[vi] Ebd., §34.
[vii] Ebd., §40.
[viii] Ebd., §5.
[ix] Siehe Katechismus der Katholischen Kirche §1750.
[x] DDF, Fiducia Supplicans, §31.
[xa] Dieser Abschnitt wurde von P. George als ergänzend und erklärend zum Text eingefügt.
[xi] Ebd., §38.
[xii] Ebd., §40.
[xiii] Ebd., §30.
[xiv] Siehe ebd., §38: „Man sollte weder ein Ritual zur Segnung von Paaren in einer irregulären Situation vorsehen noch fördern.“