Einswerden. Damit kann man noch etwas anfangen. Aber das Wort aus der Bibel „Der Mann bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24) hört sich zuerst doch etwas merkwürdig, um nicht zu sagen makaber an. Was soll das denn um Himmelswillen heißen? Vor ein paar Wochen durfte ich eine Hochzeit von zwei guten Freunden feiern. Sie hatten genau diesen Text als ihr Hochzeitsspruch ausgesucht. Sie baten mich um einen Text, den sie zu Beginn des Hochzeitsheftes stellen konnten, das dann in der Kirche auflegen würde. Hier das Resultat.

Ein Fleisch. Eine Vision. Ein Traum. Ein Weg. Eins. Aber doch nicht dasselbe.* Eins-Werden heißt nicht Abhängigkeit, emotional oder anderswie. Eins-Werden heißt Entscheidung der vollen Hingabe. Du bist mir wichtiger als ich. Dein Glück ist mein Lebensprojekt. Eins, weil das körperliche Eins-Sein mit der Herzenshaltung übereinstimmen muss. Keine Masken. Kein Vormachen. Keine Entstellung. Eins-Werden mit Dir selbst – nicht mit dir, wie ich dich gerne hätte. Eins-Werden von zwei, die zwei bleiben und deswegen frei sind. Freiheit, weil es um eine Entscheidung geht, loszulassen von allen Versuchen, die Beziehung zu kontrollieren. Freiheit eben, Entscheidung, nicht nur Gefühl oder Emotion, die mir widerfährt. Deswegen aber auch so herzenserobernd, weil du mich ja nicht brauchst, weil du ja nicht musst, und trotzdem willst, nicht nur in den guten, auch in den bösen Tagen, auch wenn es dir schwer fällt. Eins, weil du dich selbst besitzt und dich deswegen schenken kannst, nicht ein Abklatsch der Einheit, wo ich nur deine emotionale Krücke wäre und du meine. Eins-werden, weil ich ständig aus mir selbst heraussteigen muss, um mich erhöht in dir wiederzufinden. Heraustreten, weil du mein Herz verwundet hast und mich erahnen lässt, dass Liebe ohne Opfer Egoismus heißt. Eins-Werden von zwei, weil deine Bedürfnisse mir wichtiger sind als die eigenen. Eins-Werden, weil mein erotisches Verlangen darin besteht, mich dir zu schenken, nicht dich an mich zu reißen, gerade aber weil du dich mir ja auch restlos schenkst. Eins, weil nicht nur heute, nicht nur morgen, sondern für immer. Eins für immer, weil Liebe keine Bedingung zulässt um Liebe zu sein, auch nicht die Bedingung der Zeit. Eins-Werden, weil es nicht nur einmal getan, sondern aus einem gemeinsamen Ringen und Bemühen resultiert. Und ja, ich meine wirklich „Ein-Fleisch-Werden“, weil der Begriff des Fleisches in den biblischen Zeiten eines sehr konkret-denkenden nomadischen Volkes an Folgendes erinnert: Abstrakte Liebesbegriffe bezeugen öfters eine große Welt- und Wirklichkeitsfremde, beweisen sich als heiße Luft, wenn sie nicht konkret werden, nicht Fleisch annehmen, nicht über eine rein erdachte oder gefühlte Verwobenheit zweier Existenzen hinausgehen. Ein Fleisch also, weil es keine Liebe der leeren Worte ist und die Liebe konkret werden muss. Ein Fleisch, weil ein Geheimnis unseren Körper durchtränkt und nur es durch eben diesen Körper aufleuchtet. Ein Geheimnis, das sonst verborgen bliebe: die Liebe, die Gott ist, sie ist bis in deinen Körper hineingeschrieben. Nur durch diesen Körper kann diese Liebe sichtbar werden. Nur durch deinen, durch meinen Körper, kann Liebe in diese Welt eintreten: Durch einen Blick, eine Geste, eine Tat und, in seiner tiefsten Form, durch das ein Fleisch-Werden. Kein Baum, kein Tier kann dergleichen, denn Liebe kann nur sein, wo Freiheit waltet. Aber Freiheit, die sich entscheidet, ist kein Sklave des „Sich-alles-Offen-halten-Müssen“. Sie kennt aber auch das Risiko, ins Gegenteilige zu verfallen! Das Höchste, das Verletzendste – beide liegen so nahe beieinander, und doch: Das ist was mich an Dir so beeindruckt. Du weißt um das Wagnis und sagst: „Ja, ich will!“ Gemeinsam, demütig, unserer Schwachheit bewusst, wollen wir Eins-Sein und dadurch bezeugen: „Die Liebe, die gibt es wirklich!“ Liebe, unsere Liebe deutet auf eine höhere Liebe, die einen Namen hat, die an einem Kreuz hängt. In diese höhere Liebe vertrauen wir, zu dieser höheren Liebe wollen wir gelangen, denn durch diese Liebe wagen wir es zu sagen: Ich liebe dich!

*Das Lied „One“ von U2

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