Das Problem

Eine fast unsichtbare, quabbelige, sich nicht mehr bewegende, wahnsinnig unappetitlich aussehende Götterspeise, die sich den Konturen der Umgebung völlig angepasst hat: So würde ich eine von Hunderten Quallen beschreiben, die bei der Ebbe an diesem Tag das Nicht-darauf-Treten in deren ekeligen Überresten fast unmöglich machte. Das war letzten Sommer auf einer Insel an der kanadischen Westküste, als ich versuchte, mein Ocean-Kajak an Land zu bringen. Ich habe die Quallen nie so richtig verstanden. An einem Tag könnte man nicht eine einzige finden, auch wenn man nichts anders tun würde, als den ganzen Tag lang danach zu suchen. Doch am nächsten Tag sind es Tausende, die zu dem führen, was ich soeben über diesen – normalerweise so herrlichen – Sandstrand auf Texada Island beschrieben habe. Und heute dachte ich mir: Zuweilen sind wir wie Quallen-Überreste an einem Strand. Wenigstens glaube ich, dass Papst Franziskus das meinte, als er in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am gestrigen 1. Jänner die verschiedenen Formen der Gleichgültigkeit beschrieb, die wie ein Krebs an der Substanz unserer Gesellschaft nagen. Die Gleichgültigkeit paralysiert. Sie führt zur Lauheit, Stumpfheit, Unempfindlichkeit. Man will sich am liebsten hinsetzen und genau nichts tun. Vegetieren. Die Formen der Gesellschaft, die einen umgeben, annehmen. Leben, wie es doch „eh alle“ tun. Der Gleichgültige hat keine Konturen, keine Kanten, an denen man ihn festhalten könnte, an denen er sich selbst festhalten könnte. Heute sind seine Prinzipien so, morgen so. Oder besser, es gibt keine Prinzipien, außer vielleicht eines: „Lass´ mich in Ruhe! Lass´ mich tun, was ich will!“ Alles wird ihm egal – und langsam, aber sicher, verliert er das Lebenswasser, das ihn formte. Unbeweglich geworden, ist er für nichts mehr zu begeistern. Er sinkt immer mehr ab, in „die Gleichgültigkeit, die erniedrigt, in die Gewohnheit, die das Gemüt betäubt und die verhindert, etwas Neues zu entdecken, in den Zynismus, der zerstört.“ (Papst Franziskus)

Die Zeit

„Es ist die letzte Stunde“ (1 Joh 2,18) hieß es vorgestern in der ersten Lesung der Messe. Für den Christen ist nämlich jede Stunde „beladen mit Ewigkeit“ (Papst Franziskus), jede Stunde hat Ewigkeitswert, es ist eben nicht gleichgültig, wie man sie lebt, jede Stunde konfrontiert mit einem Gott, der sich den Menschen restlos hingibt, der das Leben seines Lebens ist, der ihm seine Barmherzigkeit erweist, dessen Liebe jegliche Mittelmäßigkeit zutiefst in Frage stellt und den freien Willen zutiefst herausfordert, der eine Beziehung der Liebe sogar mit dem größten Sünder eingehen will, der, um das Herz zu erobern, alles ansetzt, dieses Herz aus der Gleichgültigkeit herauszureißen versucht und dies auch vermag … wenn man ihn lässt.

Der Vorsatz

Vor ein paar Tagen fand ich folgenden Satz von Edith Stein aus dem Kriegsjahr 1941: „Das letztlich Tragende ist das innere Leben … Je tiefer eine Seele mit Gott verbunden ist, je restloser der Gnade hingegeben, desto stärker wird ihr Einfluss auf die Gestaltung der Kirche sein. Umgekehrt: Je mehr eine Zeit in die Nacht der Sünde und der Gottesferne versunken ist, desto mehr bedarf sie der gottverbundenen Seelen.“ Wir stehen zu Beginn eines neuen Jahres. Was wird in diesem Jahr in Ihrem Leben, in meinem Leben geschehen? In Österreich? In Europa? In der Welt? Ich weiß es nicht. Nur, wenn wir, wenn unser Land, wenn unsere Welt heute eines braucht, dann ist es das vom Herrn Entzündete, vom Geist Gottes Ergriffene, der Gleichgültigkeit diametral Entgegengesetzte, in der Gegenwart des brennenden Dornbusches Lebende. Je mehr man sich dem Feuer nähert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man zu brennen beginnt.

Deswegen lade ich ein: Unter den Vorsätzen, die wir dieses Jahr fassen wollen, stellen wir da das Gebet an allerhöchste Stelle. Formulieren wir den Vorsatz konkret, so konkret, sodass ich mit Ja oder Nein antworten kann, wenn es darum geht zu evaluieren, ob man diesem Vorsatz treu gewesen ist oder nicht. Und wenn der Vorsatz in einem Moment des Friedens, der Ruhe, der Klarheit getroffen wurde, egal was kommt: Ändern wir den Vorsatz nicht, gerade in solchen Momenten, wo wir uns wie eine Qualle am Strand ohne Wasser fühlen.

 

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Titelbild:  Pixabay.com/de