Wir haben ihn zu Grabe gelegt. Den „alten Menschen“ (Eph 4,22; Kol 3,9). In der Taufe hat dieser Prozess begonnen. Und doch. Ganz so einfach geht das nicht. Es braucht nicht viel, und schon beansprucht der „alte Mensch“ seine Auferstehungsversuche. Jemand schaut mich schief an oder spricht mit mir in der falschen Tonlage. Oder ich werde von diesem Gefühl, mich einfach gehen lassen zu wollen, überrumpelt. Aber eine schlechte Nacht oder ein regnerisch-trüber Februartag können dazu auch schon reichen.

„Feuer von oben!“, so heißt unsere aktuelle Predigtserie im Zentrum Johannes Paul II. „Sein Wort ist nicht irgendein Ton. Es dringt in uns ein, wie Feuer, wie Wein. Wer glaubt, der hat schon den Urquell des lebendigen Wassers des Heils.“ (Stundengebet) Das Feuer des Hl. Geistes möchte uns in den „neuen Menschen“ (Eph 4,24; Kol 3,10) umformen und durch uns die Welt. „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49) Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber diesen Blick für das Eigentliche unseres Alltags nicht zu verlieren ist vielleicht die größte Herausforderung eines Christen. Fülle an Liebe. Die beste Version seiner selbst für die Welt zu werden. Oder, um mit „Gaudete et Exsultate“ von Papst Franziskus zu sprechen: Unsere Berufung heißt Heiligkeit. Nichts weniger. Nichts anderes. Nicht irgendwann einmal. Hier und jetzt. Nur. So ziemlich alles in meinem Leben scheint dagegenzuwirken. Der Prüfungsstress und der Chef in der Arbeit und das Problem in der Beziehung und das Kind, das meine Aufmerksam braucht, und der Streit mit dem … Das Leben scheint so banal. So alltäglich. Sind da große Ideen wie Heiligkeit nicht Utopien, die nichts mit dem realen Leben zu tun haben?

„Non coerceri a maximo, sed contineri a minimo divinum est“ (Nicht vom Größten eingeschränkt und im Kleinsten enthalten zu sein, das ist göttlich): Das ist ein Gedanke des hl. Ignatius von Loyola. Papst Franziskus legte diesen Gedanken so aus (Antonio Spadaro SJ: Das Interview mit Papst Franziskus. Freiburg: Herder, 2013) : „Diese Tugend des Großen und des Kleinen ist die Großmut, die uns aus der Stellung, in der wir uns befinden, immer den Horizont sehen lässt: tagtäglich die großen und die kleinen Dinge des Alltags mit einem großen für Gott und für die anderen offenen Herzen zu erledigen. Das heißt, die kleinen Dinge wertzuschätzen innerhalb der großen Horizonte, jenen des Reiches Gottes.“ Was diesen Augenblick hier und jetzt so groß macht ist der Horizont, in den er eingebettet ist.

Die hl. Edith Stein sagte einmal etwas Ähnliches, als sie meinte, „so steht jeder von uns immer auf des Messers Schneide zwischen dem Nichts und der Fülle des göttlichen Lebens.“ (aus ihrer Kreuzeswissenschaft) Wenn wir uns nur bewusst wären, wie groß dieser banale gegenwärtige Augenblick eigentlich ist! Gerade in dieser Woche haben wir Priester in unserem Stundengebet jene Bibelstelle gelesen, in der es heißt, dass der Patriarch Jakob in der Mitte von nirgendwo in der Nacht einschlief und träumte, wie sich an genau diesem banalen Ort der Himmel öffnete, die Engel Gottes auf- und abstiegen, der Herr oben stand und mit ihm sprach. Worauf Jakob sagte: „Wirklich, der Herr ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht […] Er ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels.“ (Gen 28,16-17)

Lasst uns nicht vergessen, vor wessen Angesicht wir stehen und in was er auch dieses Banale hier und jetzt verwandeln kann, wenn wir ihm Raum geben. Mit viel Liebe das Kleine und Unbedeutende verrichten. Erlauben, dass ich im Hier und Jetzt seine Hände und Füße und Ohren und Mund und vor allem sein Herz sein darf.

Herr! Lass uns das Große des Kleinen nicht aus den Augen verlieren! Und so dem Reich Gottes Raum schenken. Für die Welt. Heute.

Gottes Segen!
P. George LC