Jetzt, sofort. Auf der Stelle. Kaum ist die neue Windowsversion heraus, schon habe ich den Eindruck, keine E-Mails mehr schreiben zu können, es sei denn, dass ich mir jetzt die neue Windowsversion besorge… Oder: Ja, genau dieses und kein anderes: das Schokocroissant lacht mich an, ich muss es haben, ja man fühlt sich fast gezwungen, es zu kaufen. Jemand erzählt mir von einem neuen vielversprechenden Haarshampoo, und auf einmal verspüre ich den Drang: Das brauchst du auch! Die Tatsache, dass man seine Haare schon seit Jahren mit einem anderen Shampoo erfolgreich gewaschen hat, spielt in dem Moment kaum eine Rolle. Vielleicht spüre ich bei keinem dieser Beispiele die Gewalt einer lechzenden Begierde. Aber das Drängen der Gier, das kennt jeder: Ich muss, ich kann fast nicht anders, hier, jetzt, das muss ich haben.
Wenn sie sich auf einen anderen Menschen ausrichtet, dann hat diese Begierde mit der Tendenz zu tun, diesen Menschen als ein „mögliches Objekt des Gebrauchs zu nutzen.“ Ein anderer Mensch wird als ein Objekt betrachtet, das dazu dienen könnte, ein emotionales oder sonstiges Bedürfnis zu befriedigen. Die Begierde bewirkt ein reduziertes Blickfeld, Freiheitsverlust und Selbstisolierung. In diesem Kapitel wird auf diese drei Aspekte eingegangen.
Reduziertes Blickfeld
„Begierde hat mit Gier zu tun, Begehren (als liebendes Verlangen verstanden) mit Ehren.“ Bei der Begierde befindet man sich in der Logik des Nehmens, beim Begehren in einer Logik des Gebens. Ich wurde hellhörig, als ich das erste Mal durch einen Vortrag auf diesen in der deutschen Sprache erkenntlichen Unterschied „Begierde – Begehren – Gier – Ehren“ aufmerksam wurde. Mit aller Wertschätzung für diese Einsicht glaube ich trotzdem, dass man den Unterschied nicht auf das Begriffliche, sondern auf die Sache gründen sollte. Denn das Wort „begehren“ wird im deutschen Sprachgebrauch nicht selten der „Begierde“ gleich gestellt. Und wenn dem so ist, dann verschleiert dieser begriffliche Unterschied den sachlichen mehr, als er ihn unterstreicht. Wichtiger als die Begrifflichkeit ist die Sache, um die es geht. Begehren im Sinn von „ehren“ hat mit Verlangen nach dem anderen zu tun. Die Begierde bezieht sich auf das Ergreifen, das An-sich-Reißen, das Nicht-respektieren-Wollen der Freiheit, das Kontrollieren-Wollen des Geschenks. Erich Fromm sagt man nach, dass er einmal behauptet habe: „Unreife Li